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Anmerkung zu:LG Koblenz, Beschluss vom 21.11.2022 - 4 KLs 2050 Js 40313/18
Autor:Dr. Max Schwerdtfeger, RA
Erscheinungsdatum:03.04.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 11 StGB, § 370 AO 1977, Art 103 GG, § 3 IRG, § 210 StPO, § 261 StGB
Fundstelle:jurisPR-StrafR 6/2023 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht
Zitiervorschlag:Schwerdtfeger, jurisPR-StrafR 6/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Keine Geldwäsche bei ausländischen Cum-/Ex-Taten



Orientierungssatz zur Anmerkung

Ausländische Steuerstraftaten allein zum Nachteil ausländischer Fisken können keine taugliche Vortaten i.S.d. § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Buchst. b), Abs. 8 StGB a.F. sein.



A.
Problemstellung
Die Entscheidung betrifft die Frage, ob deutsche Bankmitarbeiter sich wegen Geldwäsche gemäß § 261 StGB a.F. strafbar machen können, wenn die von ihnen verwendeten Tatobjekte – die auf den Konten Dritter bewegten Gelder – aus ausländischen Cum-/Ex-Sachverhalten stammen.
Im Kern ging es in der Entscheidung darum, ob die ausländischen Steuerstraftaten zum Nachteil des dänischen bzw. belgischen Fiskus taugliche Vortaten i.S.d. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b), Abs. 8 StGB sein konnten. Nach der Erweiterungsklausel des § 261 Abs. 8 StGB a.F., die auch Taten im Ausland erfasst, musste dafür die im Ausland begangene Tat „auch am Tatort mit Strafe bedroht“ sein. Dies setzt voraus, dass die im Ausland begangene und dort mit Strafe bedrohte (Vor-)Tat, wäre auf sie deutsches Strafrecht anwendbar, tatsächlich auch strafbar wäre (Rn. 75 m.w.N.).
Während die Staatsanwaltschaft dies mit ihrer Anklageschrift bejaht hatte, verneinte das LG Koblenz diese Frage zu Recht (Rn. 67 ff.).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Ausländische und international operierende – vorgebliche – Tätergruppierungen sollen den dänischen und belgischen Fiskus durch dort strafbare Cum-/Ex-Transaktionen um erstattete Kapitalertragsteuern in Milliardenhöhe geprellt haben. Diese – vorgeblichen – Taten hatten und haben keinen Bezug zu Deutschland und dem deutschen Fiskus. Allerdings sollen die Erträge aus diesen – vorgeblichen – Taten über die Konten der in Deutschland ansässigen Bank B im Jahr 2015 verbucht bzw. die Herkunft dieser Gelder durch die Bankmitarbeiter verschleiert worden sein, die vorgeblich Kenntnis von dem Kontenmodell sowie dessen Zweck gehabt hätten.
Da die zugrunde liegenden vorgeblichen Steuerstraftaten keinen Bezug zu Deutschland hatten, können sie allenfalls nach dem dänischen bzw. belgischen Recht strafbar sein, nicht aber als deutsche Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Dementsprechend ging es in der Entscheidung nicht um die vorgeblichen Cum-/Ex-Vortaten.
Zu prüfen hatte das Gericht stattdessen, ob sich die in Deutschland handelnden Bankmitarbeiter der Bank B der Geldwäsche gemäß § 261 StGB a.F. strafbar gemacht hatten, indem sie die Herkunft der aus Straftaten stammenden Gelder – in Kenntnis ihrer Herkunft – verschleierten.
Das LG Koblenz verneinte dies – anders als die Anklagebehörde – jedoch. Anzuwenden sei der Geldwäschetatbestand – aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes – in zwei im Jahr 2015 geltenden Fassungen (Rn. 67). Im Ausgangspunkt stellt das LG Koblenz zutreffend fest, dass eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO, die gewerbs- oder bandenmäßig begangen wurde, gemäß der damals geltenden Fassung des § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b) StGB a.F. grundsätzlich taugliche Vortat einer Geldwäsche sein kann. Da der Steuerhinterziehungstatbestand des § 370 AO jedoch nur den deutschen Fiskus, aber nicht ausländische Fisken schütze, seien die ausschließlich zulasten des dänischen bzw. belgischen Fiskus begangenen Steuerstraftaten keine als Inlandstaten strafbaren Steuerhinterziehungen gemäß § 370 AO, so dass – folgerichtig – keine Katalogtat gemäß § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b) StGB a.F. vorliege (vgl. Rn. 72 ff.).
Mit der Reform des Geldwäschestraftatbestands im Jahr 2021 sei zwar der sog. „All-Crimes-Ansatz“ im Geldwäschestrafrecht eingeführt worden, womit weitere Auslandsstraftaten erfasst seien (vgl. dazu etwa Travers/Michaelis, NZWiSt 2021, 125, 127; Gazeas, NJW 2021, 1041, 1042). Doch komme es hierauf nicht an, da der „All-Crimes-Approach“ im Zeitpunkt der Taten – im Jahr 2015 – jedenfalls noch nicht galt (Rn. 66).
So kam es auf das bereits unter A. geschilderte Problem an, ob die ausländischen Steuerstraftaten zum Nachteil des dänischen bzw. belgischen Fiskus taugliche Vortaten i.S.d. § 261 Abs. 8 StGB a.F. sein konnten. Nach der Erweiterungsklausel des § 261 Abs. 8 StGB a.F. musste dafür die im Ausland begangene Tat „auch am Tatort mit Strafe bedroht“ sein. Dies setzt voraus, dass die im Ausland begangene und dort mit Strafe bedrohte (Vor-)Tat, wäre auf sie deutsches Strafrecht anwendbar, tatsächlich auch strafbar wäre (Rn. 75 m.w.N.). Andernfalls würde der Geldwäschetatbestand als eine rechtswidrige „Blankettvorschrift“ entgegen Art. 103 Abs. 2 GG die Strafbarkeit eines an sich in Deutschland straflosen – nach fremden Rechtsordnungen jedoch strafbaren – Verhaltens begründen (Rn. 75).
Mit einer recht knappen Begründung (vgl. für weitere Argumente nachstehend C.) legt das LG Koblenz dar, dass die ausschließlich zulasten ausländischer Fisken begangenen Steuerstraftaten niemals in Deutschland strafbar sein könnten (Rn. 76). Dies ist zutreffend, denn das deutsche Strafrecht schützt – wie dargelegt – den ausländischen Steueranspruch nicht. Die Hinterziehung ausländischer Ertragsteuern ist in Deutschland nicht strafbar, so dass bereits keine rechtswidrige Tat i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegt (eingehend hierzu Bülte, Finanzstrafrecht, 2012, S. 163, 179 ff.; i.E. ebenso Dierlamm in: FS Mehle, S. 177, 181). Dies gelte – so das LG Koblenz – sogar auch für den Fall, dass es sich um Inlandstaten handle, falls etwa die Steuerrückerstattungen gegenüber dem dänischen bzw. belgischen Fiskus von Deutschland aus beantragt worden wären. Auch in einem solchen Fall bliebe es dabei, dass ausschließlich die ausländischen Fisken, nicht aber der deutsche Fiskus geschädigt wären.
Apodiktisch – im Ergebnis aber zutreffend – hält das LG Koblenz fest: „Nach dem ausdifferenzierten Regelungsregime des § 370 Abs. 6 und Abs. 7 AO ist eine Hinterziehung ausländischer Ertragssteuern in Deutschland jedoch gerade nicht strafbar. Demzufolge steht die von der Staatsanwaltschaft Koblenz aufgezeigte und im Ausland praktizierte ‚cum-ex-Gestaltung‘ nach deutschen (Steuer-)Strafrecht nicht unter Strafe.“


C.
Kontext der Entscheidung
Cum-/Ex-Sachverhalte werden die deutsche Strafjustiz noch Jahre – wahrscheinlich eher noch Jahrzehnte – beschäftigen; die Entscheidung des LG Koblenz betrifft jedoch eine Sonderkonstellation. Anders als bei den Cum-/Ex-Sachverhalten, die die Medien beherrschen und – vornehmlich – die Kölner und Bonner Strafjustiz beschäftigen, ging es vorliegend nicht um Taten zum Nachteil des deutschen Fiskus, sondern ausschließlich um Straftaten zulasten ausländischer Fisken.
Der Bezug zu Deutschland ergab sich aus dem Umstand, dass die Erträge über die Konten der deutschen Bank B abgewickelt wurden; dass dennoch der Straftatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) nicht erfüllt ist, ist dem – inzwischen durch den „All-Crimes-Approach“ teilweise überholten – alten Regelungsregime zur Einbeziehung von geldwäschetauglichen Gegenständen aus Auslandstaten in § 261 Abs. 8 StGB a.F. geschuldet.
Die Entscheidung des LG Koblenz ist im Ergebnis überzeugend, wobei weitere, vom LG Koblenz nicht dargelegte, Argumente diese Sichtweise stützen:
Der Wortlaut des § 261 Abs. 8 StGB a.F. ist – so das LG Koblenz implizit, wenn es auf Art. 103 Abs. 2 GG abstellt – eindeutig („wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist“); die konkrete Tat muss in Deutschland materiell-rechtlich tatsächlich mit Strafe bedroht sein und muss – unterstellt, deutsches Strafrecht sei anwendbar – dies gleichfalls am Tatort sein (vgl. nur Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 261 Rn. 8; Altenhain in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 261 Rn. 45).
Auch ein Vergleich mit dem Rechtshilferecht des IRG zeigt, dass eine andere Sichtweise – z.B. durch eine sog. „sinngemäße Umstellung“ des Sachverhalts, um auch Taten zum Nachteil ausländischer Fisken zu erfassen – systematisch in § 261 Abs. 8 StGB a.F. nicht angelegt ist; § 261 Abs. 8 StGB a.F. kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Denn das Rechtshilferecht des IRG kennt für das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit nicht nur die Variante, dass die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist (vgl. etwa § 3 Abs. 1 Var. 1 IRG), sondern auch die Variante, dass die Tat „bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine (rechtswidrige) Tat wäre“ (vgl. etwa § 3 Abs. 1 Var. 2 IRG). Konsequenterweise ist im Rechtshilferecht auch eine Maßnahme im Zusammenhang mit der Hinterziehung ausländischer Steuern zum Nachteil ausländischer Fisken möglich ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.12.2000 - (2) 4 Ausl. 124/00 (108/00), „bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts würde nach deutschem Recht eine Steuerhinterziehung […] vorliegen“ und überdeutlich KG, 4. Strafsenat, Beschl. v. 15.02.2019 - (4) 151 AuslA 178/17 (10/18)). Diese explizite Erweiterung findet sich im alten Geldwäschestrafrecht (§ 261 Abs. 8 StGB a.F.) gerade nicht. Dementsprechend ist eine „sinngemäße Umstellung“ des Sachverhalts dort gerade nicht möglich.
Schließlich würde eine andere Sichtweise zu einem eklatanten und nicht nachvollziehbaren Wertungswiderspruch führen: Die im Ausland begangene Hinterziehung ausländischer Steuern wäre dann zwar taugliche Vortat der Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 8 StGB a.F., die (auch) im Inland begangene Hinterziehung ausländischer Steuern aber nicht.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die mediale Berichterstattung um die Entscheidung (vgl. nur https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/cum-ex-daenemark-anklage-1.5705037 zuletzt abgerufen am 29.03.2023) zeigt die Bedeutung für die Praxis; hier ist das letzte Wort jedoch noch nicht gesprochen.
Zum einen ist der Beschluss nicht rechtskräftig. Zunächst wird das OLG Koblenz zu gegebener Zeit über die Nichtzulassungsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (§ 210 Abs. 2 StPO) entscheiden; sollte das OLG Koblenz die Rechtsfrage abweichend vom LG Koblenz beurteilen und das Hauptverfahren eröffnen, ist es gut möglich, dass am Ende der BGH – nach einer Revision gegen das landgerichtliche tatrichterliche Urteil in der Sache – entscheiden wird. Aufgrund der bereits vom LG Koblenz bemühten Wortlautgrenze des § 261 Abs. 8 StGB a.F. dürften die Angeklagten schlimmstenfalls den Weg zum BVerfG beschreiten, um die Frage verfassungsgerichtlich klären zu lassen.
Zum anderen sind weitere Verfahren mit der gleichgelagerten Problematik bundesweit anhängig; die dort verantwortlichen Staatsanwaltschaften und Gerichte dürften die Entscheidung des LG Koblenz aufmerksam zur Kenntnis genommen haben.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Aufbauend auf der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 01.02.1989 - 3 StR 179/88 - NJW 1989, 1619; NJW 1998, 1619; BGH, Urt. v. 06.06.2007 - 5 StR 127/07 Rn. 33 - NJW 2007, 2864) und anknüpfend an das LG Wiesbaden (Beschl. v. 01.09.2021 - KLs 1111 Js 18753/21 Rn. 11 ff. zum Verhältnis von Steuerhinterziehung und Betrug) arbeitet die Entscheidung überzeugend heraus, dass auch der gewerbs- und bandenmäßig begangene Betrug durch den Tatbestand der Steuerhinterziehung verdrängt wird. Die gegenteilige Ansicht des OLG Frankfurt a.M. in dessen Entscheidungen vom 06.05.2021 (2 Ws 132/20), welche die Auslieferung eines in Deutschland angeklagten Rechtsanwalts aus der Schweiz ermöglichte, wird unter Nennung der Beschreibung dieser Entscheidung in der Literatur als „ergebnisorientierte Einzelfallentscheidung“ zutreffend widerlegt.



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