Jura-Klausuren erfolgreich schreiben:
Ablauf, Vorgehen, Notfall-Plan

Die Klausuren stehen unmittelbar bevor? Wir zeigen Dir, wie Du am Klausurtag vorgehst und worauf Du in Deiner Lösung achten musst. Wie teilst Du die Zeit ein? Wie zeigst Du dem Prüfer, dass Du mehr Punkte verdient hast? Was tun, wenn scheinbar nichts zu holen ist?

Klausuren

1. Die richtige Vorbereitung

Lies unseren Artikel "Lernen für die Jura-Klausur: 12 Tipps für das ganze Studium" und beherzige spätestens zur Vorbereitung der nächsten Klausurenphase, dass Du im Jura-Studium stetig dranbleiben solltest. Entwickle Deinen Lernplan und teile Deine Zeit so ein, dass Du auch Pausen und freie Tage hast. Es bringt nichts, alles an einem Tag lernen zu wollen, aber bei der Stofffülle reicht es nicht, wenn Du Dich nur mit mikroskopisch kleinen Fortschritten zufrieden gibst. Aktuell steht die Klausurenphase bevor, und wahrscheinlich musst Du den zeitlichen Aufwand nun deutlich steigern. Die benötigte Lernzeit ist höchst individuell, es lohnt sich eigene Beobachtungen dazu anzustellen.

2. Die richtige Zeiteinteilung: Vollständig, fokussiert

Mach Dir vor der Klausur bewusst, dass die Bearbeitungszeit begrenzt ist. Für die Lösungsskizze solltest Du etwa 25-40% der Zeit aufwenden – zumindest bewegen sich in diesem Rahmen die meisten Empfehlungen. Letztlich ist die Aufteilung von vielen Faktoren abhängig – vom Umfang der Klausur selbst, aber ohne Zweifel auch davon, wie gut man auf die abgefragten Themen vorbereitet ist und wie schnell man schreibt. Trotzdem hilft ein Plan, um nicht zu trödeln. Denk daran, dass Du Punkte vor allem durch eine gute und ausführlichere Darstellung der wichtigen Probleme bekommst, deshalb sollte diese Darstellung nicht an mangelnder Zeit scheitern. Kürz die Darstellung unproblematischer Punkte dafür ab. Halte die Zeit im Blick. Achte darauf, die Klausur vollständig zu bearbeiten.

Die zügige Bearbeitung der Klausur, die Gewohnheit der Zeiteinteilung, der Umgang mit dem umfangreichen Sachverhalt – all das erfordert Gewöhnung, und häufige Übung hilft auf dem Weg.

Wenn Du vor der Abgabe Deiner Lösung noch Zeit hast, lies Deine Bearbeitung, korrigiere eventuelle Fehler, schreib eventuell noch eine Ergänzung. Am Ende der Bearbeitungszeit – so wie von der Klausuraufsicht verkündet – musst Du die Bearbeitung sofort einstellen.

3. Der Bearbeitervermerk: Verständiges Lesen lohnt

Nun ist es soweit. Bevor Du den Sachverhalt liest, solltest Du die Aufgabenstellung / den Bearbeitungsvermerk lesen. Was ist gefragt? Je nachdem, wie die Aufgabe formuliert ist, kannst Du den Sachverhalt im Anschluss fokussierter lesen. Beachte genau, wenn die Aufgabe nur einen Teilbereich aller denkbar möglichen Anspruchsgrundlagen oder Straftatbestände betrifft, oder wenn einzelne Personen von der Prüfung ausgenommen werden sollen.

4. Lesen des Sachverhalts

Lies den Sachverhalt. Verzichte beim ersten Durchgang noch auf Anmerkungen oder Skizzen, versuche einfach nur aufmerksam zu Lesen. Manche beginnen auch gleich mit dem Markieren des Textes oder schreiben direkt Paragrafen an die Seite, die zum Text passen könnten – letztlich gehört es zu den Fragen, die jeder für sich selbst herausfinden muss. Das ist einer der Gründe, warum Du am besten immer wieder Probeklausuren bearbeitest – es geht dabei eben nicht nur um die inhaltlichen juristischen Fragen, sondern auch um die Frage der geordneten Bearbeitung der Klausur.

5. Der zweite Durchgang: Lesen und Markieren

Lies den Sachverhalt ein zweites Mal, notiere Dir dabei die Paragrafen oder Stichworte, die Dir beim zweiten Lesen des Sachverhalts einfallen, und versuche im Kontext der Aufgabenstellung eine erste Vorstellung der Falllösung zu bekommen. Beim Markieren des Textes ist natürlich auch eine eigene Systematik zur mehrfarbigen Verschönerung des Sachverhalts möglich. Du könntest allen Zeitangaben eine Farbe geben, allen genannten Personen eine andere – oder wenn es nur ein bis zwei Personen sind, jeweils eine eigene Farbe. Die im Sachverhalt geschilderten Ereignisse lassen sich nicht immer einer Person zuordnen, deshalb könntest Du stattdessen die einzelnen Sinnabschnitte oder Zäsuren verdeutlichen. Soweit Dir Probleme auffallen, markiere sie mit einem „P“, oder mach eine Liste daraus.

Zum Markieren empfehlen wir mehrfarbige Textmarker. Wenn Dir der Sachverhalt auch beim aufmerksamen zweiten Lesen noch unklar ist, lies ihn erneut.

6. Der Sachverhalt ist heilig

Mach Dir während der gesamten Klausur bewusst, dass der Sachverhalt für die Lösung nicht verändert werden darf. Die Angaben im Sachverhalt sollten auf der einen Seite genug Anhaltspunkte bieten, die Klausur zu lösen, auf der anderen Seite steht auch selten etwas im Sachverhalt, was für die Lösung irrelevant ist – auch wenn es durchaus vorkommt. Überflüssige Angaben erfolgen „colorandi causa“ – um dem Fall sozusagen einen Anstrich zu verschaffen. Wenn eine Aussage des Sachverhalts zu vage ist, um ein Tatbestandsmerkmal zu erfüllen, dann solltest Du keine entsprechende Deutung vornehmen.

Überprüfe bei der Anfertigung der Lösungsskizze, ob sich der Sachverhalt auch in Deiner Gliederung widerspiegelt.

7. Die Lösungsskizze

Mit einem Zeitstrahl kannst Du die Ereignisse zunächst in ihrer zeitlichen Abfolge übersichtlich machen. Spätestens bei drei Beteiligten lohnt sich zudem eine Skizze der Beziehung der einzelnen Personen zueinander, und der Ereignisse die sie verbinden. Sollten die Personen in einem bestimmten Rechtsverhältnis zueinander stehen, solltest Du das ebenfalls in Deiner Skizze vermerken – zum Beispiel wenn Beteiligte in einem bestimmten Verwandtschaftsverhältnis stehen.

Nun skizzierst Du stichwortartig Deine Lösung in Form einer Gliederung: Welche Tatbestände prüfst Du? Bei der zivilrechtlichen Klausur stellt sich regelmäßig die Frage: „Wer will was von wem woraus?“ – sprich: Aus welchen Anspruchsgrundlagen können die Beteiligten erreichen, was sie wollen? Fasse die Prüfungsschritte ganz kurz, werde nur ausführlicher, wenn Probleme oder Meinungsstreite auftreten – die später auch in der ausformulierten Reinschrift der Lösung den Schwerpunkt einnehmen. Versuch Deine Lösung in der Gliederung bereits vollständig vorwegzunehmen – denk also bereits darüber nach, wie Dein Prüfergebnis aussieht. Dazu gehört auch, dass Du die problematischen Punkte gedanklich / stichwortartig argumentierst und entscheidest.

8. Die Reinschrift der Lösung: Gewichtung und Formalia

Die typische gutachterlich zu schreibende Jura-Klausur beinhaltet in der Regel mehrere Probleme oder Meinungsstreite, die es zu erkennen lohnt. Deine Lösung sollte vom Umfang her überwiegend auf die problematischen Bereiche eingehen, unproblematische Voraussetzungen kannst Du dagegen kürzer fassen. Der Gutachtenstil ist dementsprechend bei den problematischen Prüfungspunkten zu bevorzugen – Du solltest zeigen, dass Du ihn beherrschst – , der Urteilsstil bei den unproblematisch gegebenen Prüfschritten.

Schreib leserlich, gliedere Deine Lösung mit Überschriften und mach sinnvolle Absätze. All das hilft dem Prüfer, Deine Lösung besser zu erfassen.

Dein abzugebender Text besteht aus der Klausurlösung selbst, und – in der Regel – einem Deckblatt, das Du den Anforderungen entsprechend beschriften solltest. Deine Lösung schreibst Du am besten auf einen Klausurenblock, der bereits 1/3 Rand hat. Die Blätter nummerierst Du durch, auf jedes Blatt sollte auch Dein Name und / oder die Matrikelnummer – außer Du schreibst eine Examensklausur, die anonym geprüft wird. Die Formalia an Deiner Uni solltest Du vorab in Erfahrung bringen, im Notfall kannst Du auch noch zum Beginn der Klausur fragen. Prüfe vor der Abgabe, dass Du Deine Lösung vollständig und richtig sortiert abgibst. Solltest Du mit der ausfomulierten Lösung nicht fertig geworden sein und Deine Ideen für die offenen Prüfschritte aus Deinen Skizzen hervorgehen, kannst Du diese ebenfalls abgeben – eine Garantie für die Berücksichtigung gibt es aber nicht.

9. Kennzeichen einer methodisch gut gelösten Klausur

Die gute Klausurbearbeitung zeichnet sich – neben der vollständigen Bearbeitung und der richtigen Gewichtung der problematischen und unproblematischen Bereiche durch eine gute juristische Methodik aus. Die entsprechende Vorlesung zur Methodenlehre darf nicht als schmückendes Beiwerk missverstanden werden, sie ist zentral und sollte von nun an Teil Deiner Wiederholung sein. Während Prüfungsschemata Dir helfen können, den Einstieg in eine Fallbearbeitung auch bei geringerem Wissen zu finden, ist es besser, wenn Du auch verstehst, warum sich ein Prüfungsschema aus dem Gesetz ergibt. Je mehr Verständnis Du von der Materie hast, desto weniger bist Du von einem auswendig gelernten Schema abhängig.

Im Jura-Studium geht es gerade darum, die Anwendung des Gesetzes auf Lebenssachverhalte zu lernen: Je souveräner Du Dich im Gesetz und den Methoden auskennst, desto besser. Lerne die Methoden zur Auslegung des Gesetzes kennen und anzuwenden, und zeig das auch dem Prüfer. Es ist schön, wenn Du der Ansicht des BGH bei der Auslegung eines Tatbestandsmerkmals folgen willst und Du Dich auf ein wichtiges Urteil beziehst – noch besser ist es aber, wenn Du die Argumente der verschiedenen Positionen verstanden hast und wiedergeben kannst.

Neben den Auslegungsmethoden (Wortlaut – Historische – Systematische – Teleologische – Richtlinienkonforme – Verfassungskonforme) beschäftigt sich die Methodenlehre insbesondere auch mit juristischen Argumentationstechniken, z.B. der Analogie, dem Umkehrschluss und der teleologischen Reduktion.

Während das Gesetz häufig auch Legaldefinitionen bestimmter Begriffe bereithält, sollte man die wichtigsten Definitionen derjenigen Begriffe lernen, die in der jeweiligen Klausur eine Rolle spielen können. Generell gilt: Das Zusammenspiel von gekonnter juristischer Methode und dem Wissen um die Eigenheiten der jeweiligen Rechtsgebiete führt zum Erfolg.

10. Im Notfall: Nutze den Tag – Du hast gerade nichts Besseres vor!

Nehmen wir an, Du hast keine Ahnung von der Fragestellung der Klausur. Allein aus einem Gefühl akuter Unlust oder Peinlichkeit solltest Du die Bearbeitung nicht vorzeitig abbrechen – eventuell kannst Du mit Hilfe des Gesetzes, Deinem vorhandenen juristischen Wissen und Deinem gesunden Menschenverstand auch noch 4 oder mehr Punkte erobern, und eventuell sind diese ja wichtig für Dich. Die mit dem Schreiben der Klausur aufgewendete Zeit ist in keinem Fall verschwendet.

Prüfe, was sich aus dem Bearbeitervermerk und dem Sachverhalt für Deinen Prüfungsumfang ergibt. Kommst Du zum Beispiel in zivilrechtlichen Klausuren nicht auf Anhieb auf die in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen, blättere die Gliederung des Gesetzes durch – ebenso kannst Du auch in einer strafrechtlichen Klausur nach „Inspiration“ suchen. Sollte Dir zu einem Aspekt der Klausur nicht der passende Paragraf geläufig sein, schlag im Inhaltsverzeichnis nach. Wenn Dir das passende Prüfungsschema nicht einfällt, bau anhand des Gesetzeswortlauts Deine Prüfung auf – was mit steigendem Verständnis der Methodenlehre (siehe oben) auch zu einem besseren Ergebnis führen kann, als die Reproduktion eines nicht verstandenen Schemas. Eventuell kannst Du aus dem Wortlaut, der Stellung des Paragrafen im Gesetz oder dem Zweck des Gesetzes Schlussfolgerungen auf die Auslegung treffen – und diese vielleicht sogar in Deiner Falllösung diskutieren.

Wir wünschen Dir viel Erfolg!


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