juris PraxisReporte

Anmerkung zu:LArbG Köln 6. Kammer, Urteil vom 05.12.2024 - 6 SLa 25/24
Autor:Dr. Kai-Oliver Burmann, RA und FA für Arbeitsrecht
Erscheinungsdatum:09.04.2025
Quelle:juris Logo
Fundstelle:jurisPR-ArbR 14/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Burmann, jurisPR-ArbR 14/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Rückdatierung des erteilten Zeugnisses



Leitsatz

Soweit es nicht um die Berichtigung eines bereits erteilten Zeugnisses geht (BAG, Urt. v. 09.09.1992 - 5 AZR 509/91) und soweit es keine abweichenden Vereinbarungen zwischen den Parteien gibt, z.B. zu einem Vorschlagsrecht des Arbeitnehmers (LArbG Köln, Beschl. v. 27.03.2020 - 7 Ta 200/19), bleibt es bei dem Grundsatz, dass das Zeugnis das Datum zu tragen hat - und tragen darf - das dem Tag der tatsächlichen Ausfertigung entspricht.



A.
Problemstellung
Geht es um Form, Fassung und Gestaltung von Arbeitszeugnissen, wird bisweilen Kleinigkeiten eine erhebliche Aussagekraft beigemessen. In jahrzehntelanger Übung haben sich neben einer floskelhaften Zeugnissprache übliche Gestaltungsformen entwickelt. Geringsten Abweichungen vom Regelhaften soll sodann eine versteckte Mitteilung des Zeugnisausstellers entnommen werden können.
Das belegt auch die vorliegende Entscheidung, bei der es um die Rückdatierung eines Arbeitszeugnisses geht.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien hatten sich in einem arbeitsgerichtlichen Widerrufsvergleich am 28.03.2023 auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2023 und auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note „gut“ geeinigt. Nachdem der Vergleich mit Ablauf der Widerrufsfrist am 11.04.2023 bestandskräftig geworden war, erteilte die beklagte Arbeitgeberin das Zeugnis unter „im April 2023“. Der klagende Arbeitnehmer wendet sich gegen dieses Ausstellungsdatum und verlangt stattdessen die Erteilung eines Zeugnisses unter dem 28.02.2023. Es entspräche den Gepflogenheiten, dass ein Zeugnis unter dem Beendigungsdatum erteilt werde. Andernfalls könne ein zukünftiger Arbeitgeber erkennen, dass das Zeugnis Gegenstand einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung gewesen sei.
Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.
Im Ausgangspunkt müsse das Ausstellungsdatum dem Datum der tatsächlichen Ausfertigung entsprechen. Der dagegen vorgebrachte Einwand, der Zeitpunkt für die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers sei der letzte Arbeitstag, sei schon deshalb nicht überzeugend, weil auch das Verhalten an diesem letzten Arbeitstag noch Gegenstand der Beurteilung sein könne. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Fälligkeit des Zeugnisanspruchs erst eintritt, wenn der Arbeitnehmer sein Wahlrecht – einfaches oder qualifiziertes Zeugnis – ausgeübt hat. Mangels abweichenden Vortrags des Klägers sei davon auszugehen, dass dieses Wahlrecht nicht vor dem Datum des Vergleichsschlusses ausgeübt worden sei. Schließlich liege das Datum des hier erteilten Zeugnisses nicht so lange nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, dass es das Zeugnis entwerten könnte. Jedenfalls die vier bis acht Wochen, um die es hier gehe, stellten einen Zeitraum dar, der noch ohne Weiteres auf eine in Personalabteilungen übliche Verzögerung zurückgeführt werden könnte.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung überzeugt.
Der gesetzlich geschuldete Inhalt eines Arbeitszeugnisses richtet sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich die Grundsätze von Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit (BAG, Urt. v. 15.11.2011 - 9 AZR 386/10 Rn. 9).
Der Grundsatz der Zeugniswahrheit streitet dafür, dass das Ausstellungsdatum dem Datum der tatsächlichen Ausfertigung entsprechen muss. Sofern dagegen eingewendet wird, dass sich dieser Grundsatz nur auf den Inhalt, nicht aber auf die äußere Form beziehe, kann das nicht überzeugen (so Henssler in: MünchKomm BGB, § 630 BGB Rn. 48). Denn diese Ansicht führt gerade zeugnisrechtliche Gepflogenheiten und die damit einhergehende (abstrakte) Gefahr einer Entwertung des Zeugnisinhalts an. Damit wird letztlich aber doch wieder Bezug auf den Grundsatz der Zeugniswahrheit genommen. Denn hinter der Annahme der inhaltlichen Entwertung durch die äußere Form steht die Befürchtung, dass es zum schlüssigen Ausdruck einer unwahren Bewertung käme. Auch nach der anderen Ansicht ist die äußere Form damit die Fortführung der inhaltlichen Gestaltung, die dem Grundsatz der Zeugniswahrheit zu entsprechen hat.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die sodann diskutierten Rückausnahmen – erheblicher Zeitraum zwischen Beendigungs- und Ausstellungsdatum, ursprüngliches Ausstellungsdatum auch bei berichtigtem Zeugnis usw. – sollten der Einfachheit halber abgeräumt werden. Die gerichtlichen Bemühungen um die Rettung des Arbeitszeugnisses als der Wahrheit entsprechende Informationsgrundlage für Personalentscheidungen werden auf Dauer vergeblich bleiben, wenn das Zeugnisrecht nicht auf klare und eingängige Bedingungen zurückgeführt wird. Bisher haben die Auseinandersetzung um Form, Fassung und Gestaltung von Arbeitszeugnissen anhand des Widerstreits zwischen Wahrheit und Wohlwollen lediglich dazu geführt, dass Arbeitszeugnissen bei Bewerbungen kaum noch eine positive Rolle zukommt. Der Zeugnis ausstellende Arbeitgeber vermeidet von vornherein die Konflikte um Formulierungen, indem er die Möglichkeiten des Wohlwollenden ausreizt oder ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse stets gute Zeugnisse ausstellt. Daneben treten nichtssagende Beurteilungen oder im Sinne einer „Leerstellen-Technik“ jedenfalls die Auslassung jeder negativen Bewertung. Insofern ist bemerkenswert, dass es nach Auffassung des BAG zwar mit dem Wahrheitsgrundsatz nicht vereinbar sein soll, trotz im Arbeitsverhältnis begangener Straftaten ein einwandfreies Führungsverhalten zu bescheinigen. Zugleich wurde es aber gebilligt, „diesen Komplex mit Wohlwollen einfach“ zu übergehen (BAG, Urt. v. 29.01.1986 - 4 AZR 479/84 Rn. 36). Schließlich werden Leistungsbeurteilungen zur Verhandlungsmasse im Rahmen von Beendigungsverhandlungen. Im Ergebnis werden fast ausschließlich gute bis sehr gute Zeugnisse ausgestellt, obgleich es logischerweise nicht fast ausschließlich „überdurchschnittliche“ Leistungen geben kann (sehr lesenswert: Düwell/Dahl, NZA 2011, 958, 959).
Das alles führt dazu, dass nur noch die praktisch kaum vorkommende unterdurchschnittliche Bewertung aussagekräftig ist. Das sollte alle Beteiligten veranlassen, die Zeugnispraxis wieder auf eine verständige Handhabung zurückzuführen.



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