Problemstellung
Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung stellt einen vergütungsrelevanten geldwerten Vorteil und Sachbezug i.S.d. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO dar. Als steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts wird dieser dem Bruttogehalt hinzugerechnet und in der Regel nach der sog. 1%-Regelung (§ 8 Abs. 2 Sätze 2, 3 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) monatlich pauschal versteuert.
Insbesondere in Zusammenhang mit einer Kündigung und einer nachfolgenden Freistellung des Arbeitnehmers stellt sich regelmäßig die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber die Möglichkeit der Privatnutzung des Dienstwagens einseitig „entziehen“ kann. Gesetzlich gilt: Ohne entsprechende Vereinbarung ist der Arbeitgeber nach § 611a Abs. 2 BGB verpflichtet, bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle vereinbarten Vergütungsbestandteile zu leisten – dazu zählt auch ein dem Arbeitnehmer zur Privatnutzung überlassener Dienstwagen.
Ist hingegen arbeitsvertraglich ein Widerruf zugunsten des Arbeitgebers vorbehalten, kommt es neben der grundsätzlichen Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Klausel vor allem auf die konkreten Umstände der Ausübung des Gestaltungsrechts an. Denn sofern der Dienstwagen von dem Arbeitgeber mitten im Monat zurückgefordert wird, muss der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil gleichwohl für den vollen Monat versteuern. Insoweit würde dieser in einem solchen Fall finanziell doppelt belastet – er verliert die private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens, trägt aber dennoch die (volle) Steuerlast.
In der nachfolgend besprochenen Entscheidung befasst sich das BAG mit dieser Konstellation. Der Fünfte Senat konkretisiert dabei wichtige Voraussetzungen und Grenzen für den Widerruf der privaten Dienstwagennutzung und schafft weitere Klarheit hinsichtlich von dessen Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war bei dem beklagten Arbeitgeber als „kaufmännische und operative Leitung“ beschäftigt. Neben seinem monatlichen Bruttogehalt i.H.v. 10.457 Euro stand dem Kläger vertraglich ein Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Der geldwerte Vorteil dafür wurde steuerrechtlich nach der 1%-Regelung mit 457 Euro brutto bestimmt.
Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sah insoweit eine Widerrufsmöglichkeit vor. Auszugsweise lautete die Regelung wie folgt:
„Die private Nutzung des Dienstfahrzeugs kann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn […] das Arbeitsverhältnis gekündigt ist und der Arbeitgeber den Mitarbeiter berechtigt von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt oder suspendiert hat […]. Ein Anspruch des Mitarbeiters wegen des Entzugs der privaten Nutzung besteht in diesen Fällen nicht.“
In § 15 Abs. 2 des Arbeitsvertrags war für den Arbeitgeber die Möglichkeit vorgesehen, den Kläger im gekündigten Anstellungsverhältnis freizustellen.
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 08.05.2023 betriebsbedingt zum 31.08.2023 und stellte den Kläger unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei. Zugleich forderte er den Dienstwagen bis spätestens 24.05.2023 zurück. Der Kläger gab den Dienstwagen am 23.05.2023 heraus und verlangte sodann wegen des Entzugs der Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens eine Ausfallentschädigung für den Zeitraum vom 23.05.2023 bis zum Ende der Kündigungsfrist am 31.08.2023.
Das BAG hat dem Kläger teilweise Recht gegeben und entschieden, dass ihm für die Zeit vom 23.05.2023 bis zum 31.05.2023 eine Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 137,10 Euro brutto, nicht jedoch für die übrige Zeit von Juni bis August 2023 zustehe.
Das BAG bestätigte zwar die AGB-Wirksamkeit des arbeitsvertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalts, rügte jedoch deren konkrete Ausübung im Streitfall als unbillig.
Der Fünfte Senat stellte zunächst klar, dass ein auf eine entsprechende Vertragsklausel gestützter entschädigungsloser Widerruf während einer Freistellung grundsätzlich möglich sei, aber dieser der Inhaltskontrolle unterliege. Konkret beachte die Widerrufsklausel die formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB, sei hinreichend transparent und bestimmt formuliert. Sie nenne mit der „berechtigten Freistellung nach Kündigung“ einen konkreten Widerrufsgrund, der für den Arbeitnehmer klar erkennbar mache, in welcher Situation er mit dem Entzug des Dienstwagens rechnen müsse. Weil der Arbeitnehmer während einer Freistellung nach einer Kündigung keine Arbeitsleistung und damit keine dienstlichen Fahrten mehr schulde, sei es grundsätzlich zumutbar, auch die private Nutzungsmöglichkeit zu beenden. Eine Ankündigungs- bzw. Auslauffrist sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Da der Entzug des Dienstwagens weniger als 25% der Gesamtvergütung betraf, bedurfte es insbesondere keiner Änderungskündigung. Auch habe der Arbeitgeber den Kläger in Zusammenhang mit der von der Vorinstanz als rechtmäßig qualifizierten betriebsbedingten Kündigung „berechtigt von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt“. Dem Beschäftigungsinteresse des Klägers stünden überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten entgegen. Diese habe die Tätigkeiten des Klägers im Rahmen einer betrieblichen Umorganisation dem neu bestellten zweiten Geschäftsführer übertragen und ab der Freistellung des Klägers keine eigenen Arbeitnehmer mehr mit den von ihm zuvor ausgeübten Tätigkeiten betraut. Die Beschäftigung des Klägers mit seinen bisherigen Arbeitsaufgaben sei der Beklagten nach ihrer im April 2023 getroffenen und umgesetzten unternehmerischen Entscheidung nicht mehr möglich gewesen. Der Kläger habe auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich ergeben würde, dass die von der Beklagten beschlossene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei.
Problematisch war indes die konkrete Ausübung des Widerrufsrechts, da diese stets die Wahrung billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) voraussetzt. Nach Ansicht des BAG entspricht ein entschädigungsloser Widerruf der Privatnutzung während einer Freistellung im Regelfall nur dann § 315 Abs. 1 BGB, wenn dieser zum Ende eines Kalendermonats wirksam werde. Der Arbeitgeber habe den Dienstwagen nicht im laufenden Monat zurückverlangen dürfen, ohne dem Kläger einen Ausgleich für die restlichen Tage des Monats Mai 2023 zu gewähren. Maßgeblich sei die steuerliche Betrachtung. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG werde nämlich der geldwerte Vorteil für Privatnutzung monatsbezogen ermittelt. Dieser Umstand führe dazu, dass ein Arbeitnehmer bei einer Rückgabe des Dienstwagens innerhalb des laufenden Monats die Steuerlast für den ganzen Monat trage – und damit auch für die Zeit, in der er den (aufgrund des arbeitgeberseitigen Widerrufs herausgegebenen) Pkw nicht mehr nutzen könne. Den sich somit darstellenden finanziellen Nachteil gelte es zu berücksichtigen. Insoweit werde – abgesehen vom Fall einer außerordentlichen Kündigung während des laufenden Monats – grundsätzlich ein entschädigungsloser Widerruf der Privatnutzung des Dienstwagens zum jeweiligen Monatsende dem billigen Ermessen entsprechen können. Darauf, ob etwa zuvor ein Leasingvertrag des Arbeitgebers ende, komme es nicht an.
Kontext der Entscheidung
Das hier besprochene Urteil fügt sich in die höchstrichterliche Judikatur des BAG ein, die sich in der Vergangenheit mit der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von arbeitsvertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalten anhand des Prüfmaßstabs der §§ 307 ff., 315 BGB beschäftigen musste.
Bereits in früheren Entscheidungen hat das BAG klargestellt, dass der Widerruf von arbeitgeberseitig zugesagten Leistungen nur unter vertraglich klar definierten und für den Arbeitnehmer nachvollziehbaren Voraussetzungen erfolgen darf (vgl. BAG, Urt. v. 21.03.2012 - 5 AZR 651/10). Insbesondere darf der von einem Widerruf erfasste Vergütungsteil höchstens 25% des Gesamtentgelts des Arbeitnehmers ausmachen. Wird die Schwelle überschritten, ist ein einseitiger „Entzug der Leistung“ nur über den Ausspruch einer Änderungskündigung möglich.
Das aktuelle Urteil des BAG präzisiert die Rechtsprechung nun dahin gehend, dass – neben der AGB-rechtlichen Transparenz der Klausel – vor allem die konkrete Ausübung des Widerrufs unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (§ 315 BGB) zu prüfen ist und dass in diesem Zusammenhang insbesondere steuerlich-finanzielle Konsequenzen des Widerrufs für Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen sind.