juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BAG 7. Senat, Urteil vom 20.03.2025 - 7 AZR 159/24
Autor:Holger Dahl, Schlichter
Erscheinungsdatum:03.09.2025
Quelle:juris Logo
Norm:§ 37 BetrVG
Fundstelle:jurisPR-ArbR 35/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Dahl, jurisPR-ArbR 35/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Vergütungsanpassung für Betriebsratsmitglied



Leitsatz

Im Zusammenhang mit der (Mindest-)Bemessung des Arbeitsentgelts von Mitgliedern des Betriebsrats nach § 37 Abs. 4 BetrVG ist zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts - sowie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes auf einen späteren Zeitpunkt - grundsätzlich auch dann abzustellen, wenn das Betriebsratsmitglied vor der Mandatsübernahme von der Erbringung seiner Arbeitsleistung befreit war.



A.
Problemstellung
Das BAG beschäftigt sich erstmals mit dem neuen Wortlaut des § 37 Abs. 4 Satz 3 BetrVG und dem sachlichen Grund für die Neubestimmung einer Vergleichsgruppe.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war ab dem Jahr 2000 als Mitglied der gewerkschaftlichen „Vertrauenskörperleitung“ und ab 02.05.2006 als Mitglied des Betriebsrats ununterbrochen von der Erbringung der vertraglichen Arbeitsleistung freigestellt.
Nach der Entscheidung des BGH vom 10.01.2023 (6 StR 133/22) zur Untreuestrafbarkeit bei überhöhtem Arbeitsentgelt für ein Betriebsratsmitglied sah sich die Arbeitgeberin zur Überprüfung der den Betriebsratsmitgliedern gewährten Einstufungen und Vergütungen veranlasst. Im Hinblick auf den Kläger kam sie zu dem Ergebnis, dass er in eine geringere Entgeltstufe einzugruppieren sei und ihm eine entsprechend geringere Vergütung zustehe. Seit Februar 2023 zahlte sie dem Kläger die Vergütung nach der geringeren Entgeltstufe und behielt im Übrigen im Mai 2023 und im Juni 2023 wegen Überzahlungen Arbeitsentgelt ein. Mit seiner Klage und deren Erweiterung hat der Kläger die Zahlung der Differenzbeträge zwischen den Entgeltstufen geltend gemacht.
Die Vorinstanzen haben der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das BAG hat dies im Wesentlichen bestätigt.
In der ausführlich begründeten Entscheidung nahm das BAG u.a. zur Frage Stellung, welcher Zeitpunkt für die Vergleichsgruppenbildung maßgebend ist. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin sei nicht auf den Zeitpunkt der Freistellung des Klägers wegen seiner Tätigkeit in der Vertrauenskörperleitung im Jahr 2000, sondern auf den Eintritt in den Betriebsrat am 02.05.2006 abzustellen.
Dies entspreche § 37 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG, wonach auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen ist. Der Gesetzgeber habe mit der am 25.07.2024 in Kraft getretenen Neufassung des § 37 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG klargestellt, dass bei Vorliegen eines sachlichen Grundes eine „spätere“ Neubestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen kann (vgl. BT-Drs. 20/9469, S. 9). Damit sei auf einen nach der Übernahme des Betriebsratsamts eintretenden sachlichen Grund abgehoben.
Es könne dahinstehen, ob – wie die Arbeitgeberin meint – der Gesetzgeber mit „später“ lediglich verdeutlichen wollte, dass es sich bei dem für die Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Amtsübernahme um kein starres Prinzip handelt. Eine – aus welchen Gründen auch immer erfolgte – Freistellung eines Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht oder allgemein die Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis vor der erstmaligen Amtsübernahme bilden jedenfalls keinen „sachlichen Grund“ i.S.v. § 37 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG. Die gegenteilige Annahme bewirkte vielmehr unter Umständen eine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds, da in einem solchen Fall nicht das Betriebsratsmandat kausal für dessen Teilhabe an der betriebsüblichen Entgeltentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer wäre.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Gesetzbegründung für § 37 Abs. 4 Satz 3 BetrVG mit der Klarstellung, dass für die Vergleichsgruppenbildung aus sachlichem Grund auf einen Zeitpunkt nach Amtsübernahme abzustellen ist (BT-Drs. 20/9469, S. 9), lautet:
„Die von § 37 Absatz 4 Satz 1 vorgegebene Vergleichsgruppenbildung kann jedoch während der Amtszeit eines Betriebsratsmitglieds tatsächlichen Änderungen unterliegen. Diese können, blieben sie unberücksichtigt, die gesetzliche Entgeltgarantie leerlaufen lassen oder zu einer über die konzeptionelle Normausgestaltung hinausgehenden Besserstellung des Betriebsratsmitglieds führen Ein sachlicher Grund kann deshalb eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe erforderlich machen. Beispielsweise kann bei einem beruflichen Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds, das die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, im Anschluss daran die Vergleichsgruppe aus sachlichem Grund neu zu bestimmen sein.“


D.
Auswirkungen für die Praxis
Vergleichsgruppen nach § 37 Abs. 4 BetrVG sind grundsätzlich im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes zu bilden. Aus sachlichem Grund kann auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen sein. Ein früherer Zeitpunkt scheidet auch dann aus, wenn die Arbeitsleistung (z.B. wegen gewerkschaftlicher Tätigkeit oder Elternzeit) suspendiert war.



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