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Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 20.12.2024 - V ZR 41/23
Autor:Prof. Dr. Reinhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:13.06.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 688 BGB, § 19 GBO, § 42 GBO, § 41 GBO, § 1162 BGB, § 1192 BGB, § 478 FamFG, § 271 BGB, § 286 BGB, § 434 BGB, § 440 BGB, § 435 BGB, § 433 BGB, § 278 BGB, § 280 BGB
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 12/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-BGHZivilR 12/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Direktzahlungsmodell: Haftung des Grundstücksverkäufers für die Verzögerung der Lastenfreistellung



Leitsätze

1. Hängt die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt hat (sog. Direktzahlungsmodell), müssen die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt werden; da es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht handelt, genügt es nicht, wenn der Verkäufer zwar alles tut, um die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen, diese aber gleichwohl unterbleibt.
2. Muss der Verkäufer eines Grundstücks die Lastenfreistellung sicherstellen, hat er es nicht zu vertreten, wenn die Löschungsunterlagen (hier: Grundschuldbrief) infolge eines Verschuldens des zur Löschung verpflichteten Grundpfandgläubigers nicht vorgelegt werden können. Der Grundpfandgläubiger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.



A.
Problemstellung
Der V. Zivilsenat des BGH musste sich im Hinblick auf die folgende Fallkonstellation u.a. mit den aus den Leitsätzen ersichtlichen Rechtsfragen befassen:
Die Parteien vereinbarten in einem Grundstückskaufvertrag als Fälligkeitsvoraussetzung die Sicherung der Lastenfreistellung durch den Verkäufer; im Grundbuch war eine nicht mehr valutierende Briefgrundschuld eingetragen. Der Notar wurde mit der Einholung der Löschungsunterlagen beauftragt. Die Käuferin macht einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung geltend, sie hätte das Grundstück mit Gewinn weiterverkaufen können, wenn die Verzögerung des Vollzugs des Vertrages nicht durch Umstände verursacht worden wäre, für die der Verkäufer einzustehen habe. Die Verzögerung ist dadurch eingetreten, dass die Grundschuldgläubigerin ein Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes eingeleitet hat, weil sie den Grundschuldbrief nicht auffinden konnte.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte zu 1) verkaufte an die Klägerin mehrere Wohnungs- und Teileigentumseinheiten zu einem Kaufpreis von 2,1 Mio. Euro. Zum Zeitpunkt der von dem Streithelfer des Beklagten zu 1) vorgenommenen notariellen Beurkundung war im Grundbuch eine nicht mehr valutierende Briefgrundschuld über 700.000 DM für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) eingetragen, die von der Klägerin nicht übernommen werden sollte. In dem Vertrag ist geregelt, dass die Fälligkeit des Kaufpreises u.a. davon abhängig ist, dass eine Mitteilung des Notars von der „Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten“ vorliegt. Bei Fälligkeit des Kaufpreises sind die nicht übernommenen Lasten abzulösen. Mit der Einholung der Löschungsunterlagen und Herbeiführung der Löschung wird der Notar beauftragt. Da der Grundschuldbrief bei der Beklagten zu 2) nicht mehr auffindbar war, leitete sie ein Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des Briefes ein. Mit Rechtskraft des Ausschließungsbeschlusses wurde der Grundschuldbrief für kraftlos erklärt.
Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch geltend, darin enthalten sei ein entgangener Gewinn von 700.000 Euro; nach dem Vorbringen der Klägerin soll wegen der Verzögerung bei der Lastenfreistellung ein Weiterverkauf der Einheiten für 2,8 Mio. Euro im März 2020 gescheitert sein.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten zu 2) die Rückzahlung des Kaufpreisanteils von 839.199,65 Euro. Den Beklagten zu 1) nimmt sie auf Ersatz eines weiteren Verzögerungsschadens i.H.v. 9.396,91 Euro in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin habe gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verzögerungsschadens aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Seine Verpflichtung, der Klägerin lastenfreies Eigentum zu verschaffen, sei noch nicht fällig gewesen, weil der Vertrag vorsehe, dass die Lastenfreistellung erst bei Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs erfolgen müsse. Der Kaufpreis werde erst 14 Tage nach der Mitteilung des Notars, dass u.a. die Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten vorliege, fällig. Eine solche Mitteilung habe der Notar im Zeitpunkt des behaupteten Weiterverkaufs infolge des Abhandenkommens des Grundschuldbriefs nicht gemacht. Vor der Fälligkeit des Kaufpreises habe den Beklagten zu 1) lediglich die Pflicht zur Beschaffung der zur Sicherheit der Lastenfreistellung notwendigen Unterlagen getroffen. Ob es sich dabei um eine Bemühenspflicht oder um eine Erfolgspflicht handle, könne dahingestellt bleiben. Bei Annahme einer Bemühenspflicht fehle es bereits an einer Pflichtverletzung, weil der Beklagte zu 1) sich durch die Beauftragung des Notars in dem erforderlichen Maße um die Beschaffung der Unterlagen gekümmert habe. Handle es sich um eine Erfolgspflicht, habe der Beklagte zu 1) eine Pflichtverletzung jedenfalls nicht zu vertreten. Ein mögliches Verschulden der Beklagten zu 2) an dem Abhandenkommen des Grundschuldbriefs sei ihm nicht nach § 278 BGB zuzurechnen, weil die Beklagte zu 2) bei der Verwahrung des Grundschuldbriefs nicht im Pflichtenkreis des Beklagten zu 1), sondern ausschließlich in Erfüllung eigener Verbindlichkeiten aus dem Sicherungsvertrag mit dem Beklagten zu 1) tätig geworden sei.
Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) bestünden ebenfalls nicht. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch aus den §§ 688, 280 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu. Hierzu fehle es bereits an der notwendigen Leistungsnähe der Klägerin in Bezug auf die Verwahrung des Grundschuldbriefes.
Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin war erfolglos, der V. Zivilsenat des BGH hat die Revision mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen:
Das Berufungsgericht habe die Klage gegen beide Beklagte zu Recht abgewiesen.
Der allein gegen den Beklagten zu 1) mögliche Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB (Verzug) komme bereits dem Grunde nach nicht in Betracht. Allerdings hat der Beklagte zu 1) seine Leistungspflichten aus dem Kaufvertrag nicht rechtzeitig erfüllt.
Dies gilt nicht für die Pflicht des Beklagten zu 1), die von der Klägerin nicht übernommenen Lasten abzulösen. In dem Kaufvertrag sei bestimmt, dass die Pflicht zur Lastenfreistellung die Fälligkeit des Kaufpreises voraussetze. Diese setzt wiederum den Zugang der Mitteilung des Notars voraus, dass die „Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten“ vorliege. Die erforderliche Mitteilung des Notars sei deshalb unterblieben, weil der Grundschuldbrief nicht auffindbar gewesen sei; infolgedessen sei die Pflicht zur Lastenfreistellung (noch) nicht fällig gewesen.
Der Beklagte zu 1) habe nicht rechtzeitig seine weitere Pflicht erfüllt, für die Sicherheit der Löschung nicht übernommener Lasten in Gestalt der Grundschuld zu sorgen.
Ist der Verkäufer – wie hier – verpflichtet, die Löschung nicht übernommener Lasten sicherzustellen, setzt dies die Vorlage der Löschungsunterlagen voraus, wozu insbesondere die Löschungsbewilligung des Grundschuldgläubigers (§ 19 GBO) und – wenn es sich (wie hier) um eine Briefgrundschuld handelt – auch der Grundschuldbrief gehört. Letzteres beruht darauf, dass eine Briefgrundschuld gemäß den §§ 41 Abs. 1, 42 GBO nur gelöscht werden darf, wenn auch der Grundschuldbrief vorgelegt wird. Ist der Grundschuldbrief abhandengekommen, tritt an seine Stelle der Ausschließungsbeschluss des Amtsgerichts, mit dem der Grundschuldbrief für kraftlos erklärt wird (vgl. § 41 Abs. 2 GBO, §§ 1162, 1192 Abs. 1 BGB, § 478 Abs. 1 FamFG). Der Pflicht zur Vorlage der Löschungsunterlagen ist der Beklagte zu 1) nicht rechtzeitig nachgekommen. Dass er alles Erforderliche getan habe, um an die Unterlagen, insbesondere den Grundschuldbrief bzw. den Ausschließungsbeschluss zu kommen, insbesondere den Notar mit der Einholung der Löschungsunterlagen beauftragt habe, genüge zur Pflichterfüllung nicht.
Allerdings werde in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet, welchen Inhalt die Pflicht des Verkäufers zur Vorlage der für die Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen habe.
Nach einer Ansicht handle es sich um eine Bemühenspflicht. Es sei ausreichend, dass der Verkäufer nach Vertragsschluss alles täte, um eine Vorlage der zur Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen unverzüglich herbeizuführen.
Die Gegenansicht nehme eine Erfolgspflicht an. Der Verkäufer schulde als Erfolg die Vorlage der erforderlichen Unterlagen bei dem abwickelnden Notar.
Richtig sei die zweitgenannte Ansicht. Hänge die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon ab, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt habe, es sei erforderlich, dass die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt werden; da es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht handle, genüge es nicht, wenn der Verkäufer alles täte, um die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen, diese aber gleichwohl unterbleibe. Nach den §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB treffe den Verkäufer die Pflicht, rechtsmangelfreies und damit lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Werde dieser Erfolg nicht herbeigeführt, handle es sich um die Nichterfüllung einer vertraglichen Primärpflicht.
Zu dieser Primärpflicht gehöre die Vorlage der Lastenfreistellungsunterlagen, die für die Löschung des Grundpfandrechts erforderlich seien. Endgültig erfüllt sei die Pflicht zur Lastenfreistellung erst mit der Löschung des Grundpfandrechts im Grundbuch.
Hinsichtlich der Fälligkeit der dem Verkäufer obliegenden Pflicht(en) sei zu unterscheiden: Die Lasten müssen erst bei Fälligkeit des Kaufpreises gelöscht werden. Insoweit enthalten notarielle Grundstückskaufverträge üblicherweise eine ausdrückliche Leistungszeitbestimmung. Zu welchem Zeitpunkt die Löschungsunterlagen vorliegen müssen, sei in den Grundstückskaufverträgen häufig nicht ausdrücklich geregelt. Gemäß § 271 Abs. 1 BGB sei die Fälligkeit deshalb aus den Umständen zu entnehmen; sie richte sich nach derjenigen Zeitdauer, die typischerweise für die Beschaffung der Unterlagen erwartet werden dürfe. In Rechtsprechung und Literatur werde überwiegend ein Zeitraum von vier Wochen bis zu zwei Monaten nach Vertragsschluss angenommen. Sei den Vertragsparteien bei Vertragsschluss bekannt, dass wegen eines verlorenen Grundschuldbriefs erst ein Aufgebotsverfahren durchgeführt werden müsse, könne auch eine deutlich längere Frist in Betracht kommen. Der Beklagte zu 1) habe diese ihm als Verkäufer obliegende Pflicht zur Sicherstellung der Lastenfreiheit verletzt. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB scheide aus, weil er die Verzögerung der Leistung gemäß § 286 Abs. 4 BGB nicht zu vertreten habe.
Eigenes Verschulden oder eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht (Garantie) sei nicht gegeben.
In dem notariellen Kaufvertrag hat der Beklagte zu 1) den Notar mit der Einholung der für die Löschung erforderlichen Unterlagen beauftragt. Er hat somit die Besorgung der vorzulegenden Unterlagen zeitgleich mit dem notariellen Vertragsschluss in die Wege geleitet und damit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt genügt.
Der Beklagte zu 1) habe ein etwaiges Verschulden der Beklagten zu 2), bei der der Grundschuldbrief abhandengekommen sei, nicht zu vertreten, da die Beklagte zu 2) insoweit nicht als Erfüllungsgehilfin des Beklagten zu 1) bei der Erfüllung seiner Pflicht zur Vorlage der Löschungsunterlagen tätig geworden sei. Auf ein etwaiges Verschulden der Beklagten zu 2) komme es deshalb nicht an.
Ob ein Verkäufer, der die Sicherstellung der Lastenfreistellung schulde, ein Verschulden des Grundschuldgläubigers bei der Herausgabe der Löschungsunterlagen zu vertreten habe, wird allerdings nicht einheitlich beantwortet.
Nach Auffassung des Senats greife § 278 BGB im vorliegenden Zusammenhang nicht ein. Müsse der Verkäufer eines Grundstücks die Lastenfreistellung sicherstellen, habe er es nicht zu vertreten, wenn die Löschungsunterlagen infolge eines Verschuldens des zur Löschung verpflichteten Grundpfandgläubigers nicht vorgelegt werden können. Der Grundpfandgläubiger sei nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers.
Erfüllungsgehilfe sei, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falls mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig werde. Die eingesetzte Hilfsperson übernehme eine Aufgabe, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliege. Entscheidend sei, ob das Handeln der eingesetzten Hilfsperson in dem konkreten Pflichtenkreis des Schuldners und damit im Bereich des vom Schuldner geschuldeten Gesamtverhaltens liege. Nur hinsichtlich dessen, was der Gläubiger nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses vom Schuldner selbst verlangen könne, ist der von dem Schuldner hinzugezogene Dritte Erfüllungsgehilfe.
Diese Grundsätze gelten auch bei der Frage, welche Personen zu den Erfüllungsgehilfen zählen, wenn der Verkäufer dem Käufer nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen habe. Bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen sei weder der Hersteller noch der Lieferant Erfüllungsgehilfe des Verkäufers; infolgedessen habe der Verkäufer einen Mangel der Kaufsache nicht deshalb zu vertreten, weil er auf einem Verschulden des Herstellers bzw. des Lieferanten beruhe. Ein Grundschuldgläubiger sei nicht bereits deshalb Erfüllungsgehilfe des Verkäufers eines Grundstücks, weil der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB die erfolgreiche Lastenfreistellung schulde und der Verkäufer auf die Mitwirkung des Grundschuldgläubigers angewiesen sei. Vielmehr komme es auch insoweit darauf an, ob der Käufer nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses von dem Verkäufer (Schuldner) selbst die für die Lastenfreistellung erforderlichen Unterlagen verlangen könne und das Handeln des Grundschuldgläubigers in dem konkreten Pflichtenkreis des Verkäufers liege. Der Verkäufer sei für die geschuldete Lastenfreistellung auf den Grundschuldinhaber angewiesen. Dessen Mitwirkungshandlung falle nicht in das vertraglich geschuldete Gesamtverhalten des Verkäufers. Die für die Löschung der Grundschuld erforderlichen Unterlagen, insbesondere die Löschungsbewilligung und den Grundschuldbrief bzw. einen Ausschließungsbeschluss, könne von vornherein nur der Grundschuldgläubiger zur Verfügung stellen, nicht jedoch der Verkäufer. Der Grundgedanke des § 278 BGB, dass der Schuldner, der den Vorteil der Arbeitsteilung für sich in Anspruch nehme, auch deren Nachteile tragen solle, greife deshalb nicht.
Die Voraussetzungen eines Direktanspruchs der Käuferin gegen die Grundschuldgläubigerin aufgrund des Sicherungsvertrages oder aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten der Käuferin seien nicht gegeben.


C.
Kontext der Entscheidung
Die in den Leitsätzen genannten zwei rechtlichen Grundsätze beruhen auf Erwägungen des Senats zur Erfolgspflicht des Verkäufers eines Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der Vorlage der erforderlichen Unterlagen bei dem abwickelnden Notar (Rn. 13 bis 15), zu der Primärpflicht des Verkäufers, rechtsmangelfreies und damit lastenfreies Eigentum zu verschaffen. Wird dieser Erfolg nicht herbeigeführt, handelt es sich um die Nichterfüllung einer vertraglichen Primärpflicht (Rn. 16 f.). Der V. Zivilsenat des BGH entscheidet in diesem Kontext eine bisher offene Streifrage (Rn. 11 bis 15). Der Senat schließt sich der Ansicht an; danach hat er diese Frage für den Fall entschieden, dass die Fälligkeit des Kaufpreises in einem Grundstückskaufvertrag davon abhängt, dass der Verkäufer die Lastenfreistellung sichergestellt hat (sog. Direktzahlungsmodell), müssen die Löschungsunterlagen dem Notar in angemessener Frist vorgelegt werden; da es sich um eine erfolgsbezogene Pflicht handelt, genügt es nicht, wenn der Verkäufer zwar alles tut, um die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen, diese aber gleichwohl unterbleibt (Ls. 1; Rn. 15). Der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung zu den §§ 433 Abs. 1, 434, 440 BGB a.F. auf die durch die Schuldrechtsmodernisierung geltende Fassung nach den §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB übertragen (Rn. 16; BGH, Urt. v. 14.01.2022 - V ZR 245/20 - ZfIR 2022, 179; Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 194 Rn. 18). Die Freiheit von Sachmängeln ist erst durch die Neufassung des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB zu einer Erfüllungspflicht des Verkäufers geworden (Faust in: BeckOK BGB, 73. Ed. Stand: 01.02.2025, § 433 Rn. 40 ff. m.w.N.). Der Verkäufer muss folglich die Sache dem Käufer frei von Sach- und Rechtsmängeln verschaffen (Faust in: BeckOK BGB, § 433 Rn. 40).
Die rechtliche Grundlage für die Entscheidung, dass der Beklagte zu 2) nicht der Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 1) bei der Erfüllung seiner Pflicht zur Vorlage der Löschungsunterlagen ist (Ls. 2, Rn. 27), beruht auf der gefestigten Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen für eine Stellung als Erfüllungsgehilfe mit der Folge, dass die Vertragspartei nicht für ein Verschulden des Dritten einzustehen hat (Rn. 30 bis 32 m.w.N.).
Der V. Zivilsenat des BGH hat diese Grundsätze auf die Frage übertragen, welche Personen zu den Erfüllungsgehilfen zählen für die Geltung der durch die Schuldrechtsreform geänderten Regeln des Kaufrechts, wenn der Verkäufer dem Käufer nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen hat (Rn. 31). Der Senat verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, dass der Verkäufer einen Mangel der Kaufsache nicht deshalb zu vertreten hat, weil er auf einem Verschulden des Herstellers bzw. Lieferanten beruht (Rn. 31; grundlegend BGH, Urt. v. 02.04.2014 - VIII ZR 46/13 - MDR 2014, 702 Rn. 31 f. m. Anm. Wessel, jurisPR-BGHZivilR 13/2014 Anm. 2; Jaensch, jM 2014, 406; Lorenz, LMK 2014, 359378; Lorenz in: BeckOK BGB, 73. Ed. Stand: 01.02.2025, § 278 Rn. 27 f.; Munoz in: BeckOK Bauvertragsrecht, 28. Ed. Stand: 15.02.2025, § 650 BGB Rn. 33, jeweils m.w.N.). Die Verpflichtung des Verkäufers umfasst die mangelfreie Verschaffung der Sache, nicht aber deren Herstellung. Da der Käufer auf den isolierten Vorbereitungsbeitrag des Herstellers (oder des Lieferanten) keinen direkten Anspruch hat, liegt insoweit auch kein Fall des § 278 BGB vor (Rn. 31). „Vor diesem Hintergrund ist auch ein Grundschuldgläubiger nicht bereits deshalb Erfüllungsgehilfe des Verkäufers eines Grundstücks, weil der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB die erfolgreiche Lastenfreistellung schuldet und der Verkäufer auf die Mitwirkung des Grundschuldgläubigers angewiesen ist“ (Rn. 32). § 278 BGB ist nicht anwendbar, das Recht des Käufers, bei einer Verzögerung oder dem Ausbleiben der Lastenfreistellung von dem Vertrag zurückzutreten, bleibt unberührt (Rn. 32 a.E.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die möglichen Auswirkungen für die Praxis bestehen darin, dass Notare und künftige Parteien sowie ihre Berater die Erwägungen bei der Vorbereitung des Vertrags und der Durchführungsphase eines Grundstückskaufvertrags mit der Vereinbarung einer Regelung des sog. Direktzahlungsmodells berücksichtigen. Der V. Zivilsenat des BGH hat die möglichen Beteiligten, neben den künftigen Vertragsparteien, und deren Berater sowie etwaigen Grundschuldinhaber rechtlich zugeordnet, deren Pflichten und möglichen Haftungsrisiken aufgezeigt.
Seine Erwägungen zum Kaufrecht, vor allen zu der Primärpflicht, eine Kaufsache ohne Rechtsfehlern zu verschaffen, haben unabhängig von den Besonderheiten des entschiedenen Falls eine für die Praxis erhebliche Bedeutung.
Entsprechendes gilt für die umfangreichen Ausführungen zu den Voraussetzungen eines Erfüllungsgehilfen, die der Senat mit umfangreichen Nachweisen der bisherigen Rechtsprechung versehen hat (Rn. 30 f.).
Der Senat lehnt einen Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin gegen die Grundschuldgläubiger aus § 280 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ab (Rn. 36, 37 m.w.N.). Zur Begründung beschränkt sich der Senat auf die Feststellung, dass es bereits an der erforderlichen Leistungsnähe fehle (Rn. 37).
Damit hat der Senat diese Möglichkeit verneint und damit zur Rechtssicherheit im Hinblick auf künftige Fallkonstellationen beigetragen.



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