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Anmerkung zu:BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 26.03.2024 - 2 VR 10/23
Autor:Dr. Klaus von der Weiden, RiBVerwG
Erscheinungsdatum:15.07.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 123 VwGO, § 9 BBG, § 53 GKG 2004, § 52 GKG 2004, Art 33 GG, § 22 BBG
Fundstelle:jurisPR-BVerwG 14/2024 Anm. 1
Herausgeber:Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
Zitiervorschlag:von der Weiden, jurisPR-BVerwG 14/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Konkurrentenstreit um höherwertigen Dienstposten



Leitsätze

1. Die Beurteilung der Frage, ob eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung. Nach diesem Zeitpunkt - etwa im Verlauf des Widerspruchsverfahrens - eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen.
2. Der Bewerbungsverfahrensanspruch verpflichtet den Dienstherrn nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren.



A.
Problemstellung
Kann es auch bei einer Dienstpostenkonkurrenz einen Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Untersagung der Besetzung geben? Auf welchen Zeitpunkt kommt es für die Beurteilung der Frage an, ob eine Auswahlentscheidung Bewerbungsverfahrensrechte aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt? Können Fehler des Auswahlverfahrens im Widerspruchsverfahren korrigiert werden? Ist es zulässig, nachträgliche Entwicklungen nur hinsichtlich eines von mehreren Bewerbern zu berücksichtigen? Was bedeutet das Gebot der Chancengleichheit in Auswahlverfahren? Darf eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen? Eignen sich höherwertige Dienstposten, die durch spezifische und von den Laufbahnanforderungen abweichende Besonderheiten geprägt sind, als Bewährungsdienstposten i.S.d. § 22 Abs. 2 BBG? Kann ein Bewerber einen Anspruch auf Verengung des Anforderungsprofils haben? Wie ist der Streitwert in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren festzusetzen?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragstellerin begehrt Eilrechtsschutz gegen die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens beim Bundesnachrichtendienst (BND) an eine Mitbewerberin.
Die Antragstellerin ist Oberregierungsrätin (Besoldungsgruppe A 14) im Bundesdienst und wird im Geschäftsbereich des BND verwendet. Sie wendet sich gegen die Besetzung des mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstpostens der Sachgebietsleitung „Auslandsnachrichtendienst(AND)-Kooperation A“ – den sie selbst kommissarisch wahrnimmt – mit der Beigeladenen, die ebenfalls Oberregierungsrätin ist.
Im Juli 2023 schrieb die Antragsgegnerin den Dienstposten zur „förderlichen“ Besetzung für Beamte der Besoldungsgruppe A 14 aus. Nach der Stellenausschreibung sind die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes, die Bewährung in mindestens einer regelbeurteilten Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren und Fremdsprachenkenntnisse in Englisch entsprechend SLP 2 „konstitutive“ Anforderungen für die Einbeziehung in das Auswahlverfahren.
Zunächst ermittelte das Personalreferat im September 2023 den „engeren Bewerberkreis“. Da die Beigeladene als einzige Bewerberin in der aktuellen Regelbeurteilung die Spitzennote erzielt hatte, wurde nur sie als Bewerberin im engeren Bewerberkreis benannt. Das Personalreferat schlug „dem Bedarfsträger“ die Beigeladene zur Besetzung des Dienstpostens vor und unterrichtete am selben Tag die Gleichstellungsbeauftragte. Auf deren Hinweis, dass die Sprachprüfung der Beigeladenen bereits vier Jahre zurücklag, wurde der Auswahlvermerk dahin gehend korrigiert, dass die Beigeladene „vorbehaltlich des noch zu absolvierenden Sprachtests“ zur Besetzung des Dienstpostens vorgeschlagen werde; sie wurde darüber informiert, dass Fremdsprachenkenntnisse nur Anerkennung finden könnten, wenn sie innerhalb der letzten drei Jahre nachgewiesen worden seien. Noch im September 2023 absolvierte die Beigeladene eine erfolgreiche Englisch-Prüfung SLP 3. Daraufhin aktualisierte das Personalreferat den Auswahlvermerk erneut und vermerkte, dass die Beigeladene die konstitutiven Anforderungen der Ausschreibung vollumfänglich erfülle. Später teilte das Personalreferat den Bewerbern das Ergebnis der Auswahlentscheidung mit.
Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt und nachfolgend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Sie macht geltend, die Beigeladene habe die in der Ausschreibung geforderten Englisch-Sprachkenntnisse erst nachträglich erworben und zudem in ihrer vorangegangenen Verwendung als Justiziarin im Stab X nicht die geforderte Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug ausgeübt.
Das BVerwG, das gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zuständig ist, hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Dienstposten der Sachgebietsleitung „AND-Kooperation A“ mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
I. Der Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO für den begehrten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe kann die Rechtsstellung der Antragstellerin aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen für die nachfolgende Vergabe von Statusämtern haben kann. Der von der Antragsgegnerin zur Nachbesetzung vorgesehene und mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewertete Dienstposten ist für die Antragstellerin ein höherwertiger Dienstposten. Dessen Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG). Diese Vorwirkung ist mit der bewusst „förderlichen“ Besetzung des Dienstpostens durch Beamte mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe A 14 BBesO auch beabsichtigt.
II. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Notwendigkeit, die Dienstpostenübertragung vorläufig zu untersagen, ergibt sich bereits daraus, dass die Beigeladene nicht in das Auswahlverfahren hätte einbezogen werden dürfen. Sie erfüllt zwar die in der Ausschreibung zwingend geforderten Fremdsprachenkenntnisse (1.), die geforderte regelbeurteilte Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren kann aber nicht angenommen werden (2.).
1. Die angegriffene Auswahlentscheidung erweist sich nicht deshalb als fehlerhaft, weil die Beigeladene ihre Aktualisierungsprüfung für die Fremdsprachenkenntnisse erst im September 2023 abgelegt hat. Zwar sind nachträglich eingetretene Änderungen der Sachlage für die Beurteilung einer Auswahlentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen (a). Derartiges liegt im Streitfall indes nicht vor (b).
a) Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass für die Frage, ob eine beamtenrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung maßgeblich ist. Eine erst nach diesem Zeitpunkt – etwa im Verlauf des Widerspruchsverfahrens – eingetretene tatsächliche Veränderung ist für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG daher nicht von Bedeutung. Das Widerspruchsverfahren kann bei einem fehlerbehafteten Auswahlverfahren deshalb nur zum Abbruch des Auswahlverfahrens führen. In dem sich anschließenden neuen Auswahlverfahren ist eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachengrundlage zu treffen, die für den gesamten – und ggf. erweiterten – Bewerberkreis einheitlich gilt. Im laufenden Auswahlverfahren hingegen sind nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage nicht zu berücksichtigen.
Dies gilt in besonderer Weise, wenn nachträgliche Entwicklungen nur hinsichtlich eines Bewerbers betrachtet werden. Die Bewerber um ein Amt stehen in einem Wettbewerb, dessen Regeln der Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG vorgibt. Ihre Ansprüche stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind aufeinander bezogen. Jede Bevorzugung eines Bewerbers wirkt sich auch auf die Erfolgsaussichten der Bewerbungen anderer Bewerber aus und verletzt Bewerbungsverfahrensansprüche dieser Mitbewerber.
In Konkurrenzsituationen hat das Gebot der Chancengleichheit entscheidende Bedeutung. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerber verpflichtet den Dienstherrn während eines laufenden Bewerbungsverfahrens nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren. Der Dienstherr muss sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern verhalten. Er darf die ihm eingeräumte Organisationsgewalt über die Stellenbesetzung – auch im Hinblick auf die zeitliche Verfahrensgestaltung – nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zulasten einzelner Bewerber zu steuern. Dies schließt es aus, dass er Maßnahmen ergreift, die bei objektiver Betrachtung, d.h. aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters, als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Bewerbers erscheinen.
b) Die von der Antragstellerin gerügte Berücksichtigung der erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist abgelegten Aktualisierungsprüfung für die Fremdsprachenkenntnisse begründet indes aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles keine mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbare Bevorzugung der Beigeladenen und hat den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin nicht verletzt.
2. Die Auswahlentscheidung ist aber fehlerhaft, soweit der Beigeladenen die in der Ausschreibung zwingend geforderte „Bewährung in mindestens einer regelbeurteilten Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren“ zugesprochen worden ist. Zweifelhaft erscheint bereits, ob das dem Verfahren zugrunde gelegte Anforderungsprofil den rechtlichen Vorgaben entspricht (a). Jedenfalls aber erfüllt die Beigeladene die geforderte Qualifizierung nicht (b).
a) Auswahlentscheidungen, die - wie hier die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens - den Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG unterliegen, dürfen nur anhand der verfassungsunmittelbar vorgegebenen Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vorgenommen werden. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist aber nicht der konkreten Dienstposten, sondern das angestrebte Statusamt. Hiermit ist grundsätzlich nicht vereinbar, einen Bewerber nur deshalb vom Auswahlverfahren auszuschließen, weil er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht.
Die an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung darf daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Höherwertige Dienstposten, die durch spezifische und von den Laufbahnanforderungen abweichende Besonderheiten geprägt sind, eignen sich daher grundsätzlich nicht für den Einsatz als Bewährungsdienstposten i.S.d. § 22 Abs. 2 BBG.
Dienstpostenbezogene Anforderungsmerkmale bei Vergabeentscheidungen im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG sind nur im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung denkbar und setzen voraus, dass die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Derartige Ausnahmeanforderungen können sich insbesondere aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen oder notwendigen Sprachkenntnissen ergeben. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle. Hat der Dienstherr im Rahmen der Stellenausschreibung zwingende Vorgaben gemacht, die weder durch Art. 33 Abs. 2 GG noch als dienstpostenbezogene Ausnahme im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gerechtfertigt sind, ist das Auswahlverfahren fehlerhaft. Dieser Mangel kann nachträglich nicht geheilt werden, das Auswahlverfahren muss abgebrochen und die Stellenvergabe mit einer zulässigen Ausschreibung neu in Gang gesetzt werden.
Im vorliegenden Fall sind praktische Berufserfahrungen im Bereich der nachrichtendienstlichen Kooperation zwingende Voraussetzung einer Tätigkeit auf dem streitgegenständlichen Dienstposten, weil ohne sie eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht gewährleistet werden kann. Diesen Anforderungen dürfte die in der Ausschreibung geforderte Verwendung in einer „Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug“ indes nicht genügen. Es ist nicht ersichtlich, wie und wodurch bei einer entsprechenden Vorverwendung der Erwerb der besonderen, für eine Verwendung auf dem Dienstposten zwingend erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden sein sollte.
Mit dem in der Ausschreibung geforderten Anforderungsprofil sind nicht praktische Erfahrungen in der AND-Kooperation gefordert, sondern ist der Kreis der zugelassenen Bewerber weit gezogen worden. Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont potenzieller Bewerber sind damit auch vorangegangene Verwendungen in Referaten erfasst, die nicht selbst und unmittelbar mit einer AND-Kooperation betraut sind. Wodurch aber bei einer derartigen nur weitläufig auf eine AND-Kooperation bezogenen Tätigkeit die von der Antragsgegnerin als zwingend für einen Einsatz auf dem ausgeschriebenen Dienstposten dargestellten Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt würden, erschließt sich nicht.
Unabhängig davon, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin durch ein zu weit gefasstes Anforderungsprofil nicht beeinträchtigt werden kann, spricht daher viel dafür, dass der Ausschreibung des streitgegenständlichen Dienstpostens ein fehlerhaftes Anforderungsprofil zugrunde gelegt worden ist.
b) Die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen ist aber jedenfalls deshalb rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 9 Satz 1 BBG und Art. 33 Abs. 2 GG, weil die Vorverwendung der Beigeladenen aufgrund der konkreten Umstände nicht als „Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug“ angesehen werden kann.
III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und in Orientierung an § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Da die Antragstellerin mit dem streitgegenständlichen Eilverfahren nur eine vorläufige Freihaltung der Stelle erreichen kann und nicht eine Vergabe an sich selbst, ist eine weitere Halbierung des Betrags geboten, so dass der Wert auf ein Viertel des sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG berechneten Betrags festzusetzen ist.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Anordnungsgrund bei Vorwirkung einer Dienstpostenbesetzung
Vgl. ausführlich: von der Weiden, jurisPR-BVerwG 19/2023 Anm. 4.
Zum Fehlen eines Anordnungsgrundes und einer Klagebefugnis bei ämtergleicher Dienstpostenbesetzung vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.2015 - 2 A 6/13 - BVerwGE 153, 246; von der Weiden, jurisPR-BVerwG 7/2016 Anm. 6.
II. Rechtsfehler im Auswahlverfahren
Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG kann durch ganz unterschiedliche Rechtsfehler verletzt werden. Dazu zählen Fehler im Verfahren, beim Anforderungsprofil, bei den über die Bewerber erstellten dienstlichen Beurteilungen oder bei der Auswahlentscheidung selbst. Zu allen diesen Bereichen hat die verfassungs- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Maßstäbe entwickelt. So gelten etwa in verfahrensrechtlicher Hinsicht vor allem grundrechtssichernde Dokumentationspflichten (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschl. v. 24.09.2015 - 2 BvR 1686/15 Rn. 14 - NVwZ 2016, 237 „Abbruchgründe“). Auch der Festlegung eines etwaigen Anforderungsprofils, bei dem dem Dienstherrn grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum zusteht, sind Grenzen gezogen, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG und (einfach-)gesetzlichen Vorgaben ergeben. Da die Auswahlentscheidung statusamtbezogen ist, darf sie grundsätzlich nicht anhand von Anforderungen des konkreten Dienstpostens erfolgen (BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 - 2 VR 1/13 Rn. 18, 28 ff. - BVerwGE 147, 20). Auch muss ein Anforderungsprofil die gesetzliche Ämterordnung achten; das zu vergebende Amt muss mit seinem gesetzlich vorgegebenen Kern und seinem tatsächlichen Gehalt erfasst werden. Weitere gesetzliche Grenzen können sich etwa bei Richtern aus den Vorgaben des Prozess- und Gerichtsverfassungsrechts ergeben, bei Soldaten gelten Besonderheiten des Wehrrechts. Entsprechende Fehler können sich auch auf die dienstlichen Beurteilungen und die Auswahlentscheidung auswirken. Für letztere ist insbesondere maßgeblich, dass die ihr zugrunde liegenden dienstlichen Beurteilungen hinreichend aktuell und aussagekräftig sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.2016 - 2 VR 2/15 Rn. 22 f. - BVerwGE 155, 152; BVerwG, Urt. v. 17.09.2015 - 2 C 27/14 Rn. 14 - BVerwGE 153, 48). Dabei unterliegt der Erlass von Anlassbeurteilungen ebenfalls gesetzlichen (vgl. z.B. § 22 Abs. 1 Satz 2 BBG) und von der Rechtsprechung konkretisierten Grenzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 - 2 C 1/18 Rn. 37 ff. - BVerwGE 165, 305; BVerwG, Beschl. v. 02.07.2020 - 2 A 6/19 Rn. 9, 12 - Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr 10).
III. Anforderungen an die Bewerberauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG, insbesondere beim Anforderungsprofil
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Die inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG machen eine Bewerberauswahl erforderlich. Diese Auswahlentscheidung ist grundsätzlich anhand dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen, die hinreichend aktuell und aussagekräftig sein müssen. Beide – Auswahlentscheidung wie dienstliche Beurteilung – sind auf das Statusamt bezogen. Nach dem Laufbahnprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet worden sind. Es kann erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten. Diese Ausrichtung auf das Statusamt gilt auch dann, wenn eine Auswahlentscheidung (nur) über eine Dienstpostenvergabe in Rede steht, die aber Vorwirkung für die nachfolgende Vergabe des Statusamtes hat.
Der Grundsatz der auf das Statusamt bezogenen Bestenauswahl ist grundsätzlich auch bei der Festlegung eines Anforderungsprofils zu beachten, in dem der Dienstherr die besonderen Anforderungen des konkret zu besetzenden („förderlichen“) Dienstpostens festlegt. Eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines konkreten Dienstpostens ist mit Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 - 2 VR 1/13 Rn. 19 ff., 24 ff. - BVerwGE 147, 20).
Dienstpostenbezogene Anforderungen können sich insbesondere aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben. So leuchtet unmittelbar ein, dass der Dienstherr etwa bei einem festgestellten Bedarf von Lehrern in einer bestimmten Fremdsprache oder in bestimmten mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern das Anforderungsprofil auf solche Bewerber eingrenzt, die ein entsprechendes Hochschulstudium absolviert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.02.2010 - 2 C 22/09 Rn. 17 m.w.N. - BVerwGE 136, 140, Fächerkombination bei Lehrern). Je stärker die fachliche Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten der Verwaltung ist und je höher die Anforderungen an die Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten sind, desto eher kann es erforderlich werden, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung besondere Qualifikationsanforderungen an den künftigen Stelleninhaber zu stellen. Bei Behörden mit technisch ausgerichteten Dienstposten etwa ist es denkbar, dass die Aufgabenwahrnehmung bestimmter Dienstposten spezielle fachspezifische Vorkenntnisse technischer Art erfordert (BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 - 2 VR 1/14 Rn. 28 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr 65).
IV. Statusamtsbezogenheit des Anforderungsprofils und der Auswahlentscheidung bei der Vergabe von Dienstposten mit Vorwirkung auf die spätere Statusamtsvergabe
Grundlegend und ausführlich: BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147, 20 ff.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Auch bei einer Dienstpostenkonkurrenz kann es einen Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Untersagung der Besetzung geben. Die Beurteilung der Frage, ob eine Auswahlentscheidung Rechte eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung; später – etwa im Verlauf des Widerspruchsverfahrens – eintretende Änderungen sind deshalb unbeachtlich. Fehler des Auswahlverfahrens können im Widerspruchsverfahren nicht korrigiert werden. Es ist nicht zulässig, nachträgliche Entwicklungen nur hinsichtlich eines von mehreren Bewerbern zu berücksichtigen. Das Gebot der Chancengleichheit in Auswahlverfahren verpflichtet den Dienstherrn, sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern zu verhalten; es schließt Maßnahmen aus, die bei objektiver Betrachtung als Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Bewerbers erscheinen. Eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Auswahlentscheidung darf grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Dienstpostenbezogene Anforderungsmerkmale bei Vergabeentscheidungen im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG setzen voraus, dass die Aufgabenwahrnehmung dieses Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann; das kann insbesondere bei bestimmten Fachausbildungen und notwendigen Sprachkenntnissen der Fall sein. Solche durch spezifische und von den Laufbahnanforderungen abweichende Besonderheiten geprägte Dienstposten eignen sich grundsätzlich nicht als Bewährungsdienstposten i. S. d. § 22 Abs. 2 BBG. Ein Bewerber kann keinen Anspruch auf Verengung des Anforderungsprofils haben. Der Streitwert in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren ist auf ein Viertel des sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG berechneten Betrags festzusetzen.



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