juris PraxisReporte

Anmerkung zu:OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.03.2024 - 1 UF 266/23
Autor:Dr. Marko Oldenburger, RA, FA für Familienrecht und FA für Medizinrecht
Erscheinungsdatum:09.07.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 7 FamFG, § 69 FamFG, § 26 FamFG, § 6 AdWirkG, § 159 FamFG, § 160 FamFG, § 186 FamFG, § 1 AdWirkG, § 1629 BGB, § 1789 BGB, § 2 AdWirkG, § 1824 BGB, § 158 FamFG, § 191 FamFG, § 109 FamFG, § 4 AdWirkG, § 2a AdVermiG 1976, Art 5 BGBEG
Fundstelle:jurisPR-FamR 14/2024 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Oldenburger, jurisPR-FamR 14/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verpflichtung zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes in Verfahren gemäß § 2 AdWirkG



Leitsätze

1. Im Anerkennungsverfahren nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 2 Abs. 1 AdWirkG ist in entsprechender Anwendung der §§ 191, 158 FamFG ein Verfahrensbeistand für das anzunehmende Kind zu bestellen, wenn dies zur Wahrung seiner Interessen erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn zu besorgen ist, dass die Interessen der nach dem ausländischen Recht sorgeberechtigten Eltern, die eine Anerkennung der Adoptionsentscheidung anstreben, in einen Konflikt zu den Interessen des Kindes geraten.
2. Unterbleibt die gebotene Bestellung eines Verfahrensbeistandes als Muss-Beteiligter nach § 7 Abs. 2 FamFG, kann das Beschwerdegericht gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen.
3. Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG sind bei der nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG vorzunehmenden Prüfung ähnliche Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung zu stellen wie in kindschaftsrechtlichen Verfahren, d.h. das Verfahren muss so gestaltet sein, dass möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkannt werden kann.



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die §§ 191, 158 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 FamFG FamFG sind in Anerkennungsverfahren ausländischer Adoptionsentscheidungen entsprechend anzuwenden; ein Verfahrensbeistand ist in Verfahren gemäß § 2 AdWirkG sog. Mussbeteiligter.
2. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 AdWirkG finden im Anerkennungsverfahren die §§ 159, 160 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 FamFG Anwendung.



A.
Problemstellung
Die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG ausgeschlossen, wenn kein internationales Adoptionsvermittlungsverfahren gemäß § 2a AdVermiG durchgeführt worden ist. Erfasst sind Verfahren, bei denen ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nach der Adoption nach Deutschland gebracht werden soll, wenn der oder die Annehmende einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Ausnahmsweise kann die Anerkennung aber dann erfolgen, wenn zwischen Annehmenden und Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist und die Annahme für das Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG). Dazu muss zwischen einer ausländischen Inlandsadoption (§ 1 Abs. 1 AdWirkG mit der Folge eines Antragsverfahrens gemäß § 2 Abs. 1 AdWirkG) und einer Adoptionsvermittlung (§ 1 Abs. 2 AdWirkG mit der Folge eines Anerkennungsfeststellungsverfahrens und dem Korrektiv von § 4 AdWirkG) unterschieden werden. Wichtiges Kriterium ist der gewöhnliche Aufenthalt von Kind und Annehmenden, welcher gesetzlich nicht definiert ist.
Sodann ist im familiengerichtlichen Verfahren zu klären, ob für das Kind ein Verfahrensbeistand oder Ergänzungspfleger bestellt werden muss. Dann müsste es sich um eine Kindschaftssache gemäß § 158 Abs. 1 Satz 1 FamFG handeln. Anerkennungsverfahren i.S.v. § 108 FamFG, § 2 Abs. 1 AdWirkG oder gemäß den §§ 1 Abs. 2, 4 AdWirkG sind indes keine Adoptionssachen i.S.v. § 186 FamFG. In Rechtsprechung und Literatur ist insofern streitig, ob in solchen Verfahren eine Verpflichtung zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes (oder Ergänzungspflegers) besteht (ablehnend OLG Schleswig, Beschl. v. 30.09.2013 - 12 UF 58/13; für Abstammungssachen eine Bestellung ablehnend OLG München, Beschl. v. 04.08.2023 - 16 UF 614/23 e - FamRZ 2024, 535 = NJW-RR 2023, 1361; Anm. Oldenburger, NZFam 2023, 1095; a.A. wohl OLG Köln, Beschl. v. 30.03.2012 - II-4 UF 61/12, 4 UF 61/12 - FamRZ 2012, 1234).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Eine Kenianerin lebt mit ihrem deutschen Ehemann in der Bundesrepublik. Die Ehefrau reiste im Jahr 2021 in ihren Heimatstaat und nahm dort ein kenianisches Kind in der Absicht, dieses zu adoptieren, in Obhut. Im Jahr 2022 beantragte sie in Kenia ohne internationale Adoptionsvermittlung und vor dem Hintergrund, dass in Kenia internationale Adoptionen verboten sind, die Adoption. Die leibliche Mutter des Kindes sowie der Ehemann der Annehmenden stimmten der Adoption zu. Der Kindesvater ist unbekannt. Das kenianische Jugendamt befürwortete den Adoptionsantrag, setzte sich aber genauso wie das Gericht nicht mit einem Lebensmittelpunkt des Kindes in Deutschland auseinander. Dem Adoptionsantrag wurde im Oktober 2022 stattgegeben. Im anschließenden Anerkennungsverfahren vor dem deutschen Familiengericht sprachen sich sowohl die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption, die zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamtes als auch das örtlich zuständige Jugendamt gegen eine Anerkennung aus. Das Familiengericht bestellte keinen Verfahrensbeistand oder Ergänzungspfleger und hörte die Annehmende, die sich noch in Kenia befand, auch nicht persönlich an, weil die Deutsche Botschaft ihren Visumsantrag abgelehnt hatte. Die Anerkennung wurde daraufhin ausgesprochen. Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption legte Beschwerde ein.
Daraufhin hat das OLG Frankfurt die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, außerdem wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen (aber nicht eingelegt).
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegt keine ausländische Inlandsadoption, sondern eine solche gemäß § 1 Abs. 2 AdWirkG vor. Die Annehmenden hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, es sei geplant, das Kind in den hiesigen Haushalt aufzunehmen.
Darüber hinaus sei die erstinstanzliche Entscheidung verfahrensfehlerhaft, da für das Kind kein Verfahrensbeistand bestellt worden sei. Zwar seien die §§ 191, 158 FamFG nicht unmittelbar anwendbar, sie müssten jedoch entsprechend herangezogen werden. Es sei zu besorgen, dass die Interessen der nach ausländischem Recht sorgeberechtigten Eltern in einen Konflikt zu den Kindesinteressen geraten, daher könne das verfassungsrechtlich verankerte Kindeswohl nur durch Bestellung eines Verfahrensbeistandes gewahrt bleiben. Eine Bestellung gehe jener eines Ergänzungspflegers gemäß den §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1789 Abs. 2 Satz 3, 4 BGB vor.
In der Sache sei auch keine internationale Adoptionsvermittlung erfolgt. Eine Anerkennung könne zwar gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG erfolgen, insoweit seien aber weitere Feststellungen des Familiengerichts notwendig und die Annehmenden auch persönlich zu hören. Darüber hinaus hat das OLG Frankfurt darauf hingewiesen, dass bei einer erneuten Prüfung des Familiengerichts ein möglicher ordre-public-Verstoß aufgeklärt werden müsse, weil im kenianischen Verfahren der internationale Charakter der Adoption verkannt worden sei und von daher keine auf die tatsächlich angestrebten Lebensumstände des Kindes bezogene Eignungsprüfung stattgefunden habe.


C.
Kontext der Entscheidung
Im ersten Schwerpunkt der Entscheidung geht es um die Frage, ob in Anerkennungsverfahren gemäß § 2 AdWirkG ein Verfahrensbeistand oder Ergänzungspfleger bestellt werden muss. Obschon eine unmittelbare Anwendung ausscheidet, hat das OLG Frankfurt die für Adoptionsverfahren geltenden Regelungen entsprechend angewandt. Das OLG Köln (Beschl. v. 23.04.2012 - II-4 UF 185/10, 4 UF 185/10 - StAZ 2012, 339), auf welches der Senat hingewiesen hat, hatte lediglich einen Verfahrensbeistand im Anerkennungsverfahren bestellt, dies jedoch im Beschluss nicht näher begründet. Das OLG München hatte demgegenüber die Voraussetzungen für eine Bestellung abgelehnt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass Anerkennungsverfahren keine Erkenntnisverfahren seien und daher jedenfalls keine Mussbeteiligung eines Verfahrensbeistands bestehe (OLG München, Beschl. v. 04.08.2023 - 16 UF 614/23 e m. Anm. Oldenburger, NZFam 2023, 1095). In Bezug auf einen Ergänzungspfleger liegen die Voraussetzungen gemäß § 1824 Abs. 1 Nr. 1, 2 und Abs. 2 BGB ebenfalls nicht vor, insbesondere fehle es an einem Interessengegensatz zwischen Kind und Eltern. Denn die ausländische Entscheidung habe bereits den Elternstatus nebst Sorgerecht für das Kind ausgesprochen. Da es gemäß § 158 FamFG an einer Kindschaftssache fehle, müsse auch kein Verfahrensbeistand bestellt werden. Jedenfalls nicht, worauf das OLG Frankfurt abgestellt hat, als Mussbeteiligter.
Auch in der Kommentarliteratur wird keine zwingende Bestellung empfohlen (vgl. Erb-Klünemann in: Gottwald, Prozessformularbuch Familienrecht, 2021, Q V 4.; Weitzel/Grünenwald in: Reinhard/Kemper/Grünenwald, Adoptionsrecht, 2021, § 6 AdWirkG Rn. 6 ff.; auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.2011 - II-1 UF 169/10, II - 1 UF 169/10 - FamRZ 2012, 1229 und OLG Celle, Beschl. v. 12.10.2011 - 17 UF 98/11 - FamRZ 2012, 1226, wonach die Eltern ausreichende Vertreter des Kindes sind). Allenfalls dann, wenn die konkrete Gefahr eines Interessengegensatzes zwischen dem anzunehmenden Kind und den Adoptiveltern bestehe, könne über eine Bestellung eines Verfahrensbeistandes nachgedacht werden (so ausdrücklich OLG Celle, a.a.O.). Dass ein erheblicher Interessengegensatz besteht, ist nach dem Sachverhalt im Verfahren des OLG Frankfurt nicht erkennbar. Unabhängig davon fehlt es bereits am Anwendungsbereich einer Bestellungspflicht, da sich die Verfahrensart der Anerkennung von einem Adoptionsverfahren auch im Hinblick auf die Regelung in § 191 FamFG unterscheidet. Das Kindeswohlprinzip, dass das OLG Frankfurt hier ausführlich erörtert, verkennt die bestehenden Rechte der im Ausland bereits als solches statuierten Eltern. Insoweit hat auch das BVerfG darauf hingewiesen, dass für das Kind ein Pfleger bestellt werden müsse, wenn konkret die Besorgnis der Interessenkollision im Raum stehe (BVerfG, Beschl. v. 29.10.1998 - 2 BvR 1206/98 - NJW 1999, 631). Das OLG Frankfurt begründet eine solche Pflicht damit, dass zu besorgen sei, dass die Interessen des Kindes nicht in ausreichend eigenständiger Art und Weise durch die Annehmende in das Verfahren eingebracht werden können. Konkret stellt der Senat darauf ab, dass das Kindesinteresse an einem Aufwachsen nahe der Herkunftsfamilie und am Erhalt eines der Abstammung entsprechenden kulturellen Umfeldes in Konflikt zu den Interessen der Annehmenden geraten könne, weil diese das Ziel verfolgen, mit dem Kind in Deutschland zu leben. Entgegen der Auffassung des BVerfG dürften das allerdings keine ausreichenden konkreten Sorgen sein.
Der zweite Schwerpunkt betrifft die Überprüfung der Voraussetzungen einer Anerkennungsfähigkeit der kenianischen Adoptionsentscheidung. Das OLG Frankfurt ist ohne weitere Begründung von einem gewöhnlichen Aufenthalt der Annehmenden in Deutschland ausgegangen, obschon die Annehmende seit 2021 in Kenia lebt. Unstreitig ist der Ehemann als Deutscher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland zu berücksichtigen. Ob dessen Aufenthalt allerdings denjenigen der Annehmenden mitbestimmt, sie also keinen eigenen, abweichenden Aufenthalt hat, ist zweifelhaft. Eine nähere Begründung findet sich in der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht. Der BGH hat insoweit dem EuGH (im Zusammenhang mit der Rom III-VO) die Frage vorgelegt, nach welchen Kriterien ein gewöhnlicher Aufenthalt zu ermitteln sein soll und dabei auf die physische Präsenz sowie soziale und familiäre Integration abgestellt (BGH, EuGH-Vorlage v. 20.12.2023 - XII ZB 117/23 - NJW 2024, 856). Bei unterschiedlichen Aufenthaltsorten, jedoch notwendigerweise einheitlichem Bewertungsvorgehen, ist die nicht näher begründete Annahme des OLG Frankfurt daher nicht überzeugend.
Folge der Ansicht des OLG Frankfurt ist die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG. Insoweit müsste die Annahme für das Kindeswohl erforderlich sein. Die Kriterien sind gemäß § 4 Abs. 2 AdWirkG zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu prüfen. Gemeint ist hier der Zeitpunkt der familiengerichtlichen Anerkennungsentscheidung und nicht der anzuerkennenden ausländischen Adoptionsentscheidung. Besteht ein Eltern-Kind-Verhältnis, sind weitergehende Feststellungen zu einer dementsprechenden Erwartung nicht mehr anzustellen. Für die Feststellung sind zumindest die Annehmenden, aber ggf. auch die Anzunehmende anzuhören. Sodann sind Feststellungen zur Erforderlichkeit der Annahme zu treffen. Dass das Familiengericht keine entsprechenden Feststellungen durch persönliche Anhörungen getroffen hat, wird vom Oberlandesgericht zu Recht kritisiert. Im Einklang mit der Rechtsprechung z.B. des OLG Köln (OLG Köln, Beschl. v. 09.01.2023 - II-14 UF 126/22, 14 UF 126/22 - FamRZ 2023, 443) sind insbesondere Feststellungen zur Persönlichkeitsentwicklung und den für das Kind mit der Adoption verbundenen Veränderungen vorzunehmen. Schließlich müssen Ausschlusskriterien gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG berücksichtigt werden.
Die Annahme, die bloße Ausklammerung des internationalen Charakters der Adoption im kenianischen Adoptionsverfahren könne einen ordre-public-Verstoß rechtfertigen, überzeugt jedoch nicht. Das Fehlen eines internationalen Adoptionsvermittlungsverfahrens führt erst zur besonderen Prüfung einer Anerkennungsfähigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG. Die Anwendbarkeit des Korrektivs ist nach h.M. indes auf Ausnahmen beschränkt, wobei das Kindeswohl maßgeblich ist (so Andrae, Internationales Familienrecht, 2024, § 8 Rn. 91). Anhaltspunkte hierfür finden sich in der kenianischen Entscheidung nicht: Sowohl Jugendamt als auch die kenianische Adoptionsvermittlungsstelle haben im Sinne des Kindeswohls den Adoptionsbeschluss befürwortet. Zentraler Kritikpunkt des OLG Frankfurt ist insoweit, dass im kenianischen Verfahren der Eindruck erweckt worden sei, dass kein Wechsel des Lebensmittelpunktes nach Deutschland bevorstehe und insoweit bei der Entscheidung eine Fortsetzung des familiären Zusammenlebens in Kenia zu erwarten sei. Zu beachten ist jedoch, dass die familiengerichtliche Überprüfung nicht eine eigenständige Bewertung der kenianischen Entscheidung zur Folge hat, das Familiengericht also nicht anstelle der kenianischen Entscheidung im Sinne des deutschen materiellen Rechts alternative Bewertungen vornimmt. Widerspricht es also dem Kindeswohl, dass die ausländische Adoptionsentscheidung den Aufenthaltswechsel unberücksichtigt gelassen hat? Da es hier gemäß § 4 Abs. 2 AdWirkG auf die Bewertung zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Anerkennungsverfahren ankommt, kann sich eine Verletzung des ordre public über § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, obschon bei der ausländischen Entscheidung beachtlich, als nicht mehr dem Kindeswohl widersprechend relativieren. Das OLG Köln hat dies ebenfalls erläutert, weshalb das OLG Frankfurt nunmehr zu Recht eine weiter gehende Aufklärung zum Kindeswohl in dieser Hinsicht fordert, die über die Feststellungen des Familiengerichts hinausgehen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Besonderheit der restriktiven Anerkennung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG werden mit den gerügten fehlenden Aufklärungen und Feststellungen abgebildet. Die Familiengerichte sind von daher gehalten, konkrete Feststellungen zu treffen, die bei internationalen Adoptionsfällen ausgehend vom gewöhnlichen Aufenthalt zunächst immer die Frage eines notwendigen internationalen Adoptionsvermittlungsverfahrens beantworten müssen, daneben auch die Anwendbarkeit des Haager Adoptionsübereinkommens (HAÜ). Sodann sind die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG darzulegen und mit konkreten Sachverhalten und Feststellungen zu subsumieren. Dazu gehört zunächst das Eltern-Kind-Verhältnis, sodann eine Kindeswohlerforderlichkeit und schließlich die ordre-public-Korrektur.
Zur Vermeidung einer verfahrensrechtlichen Korrektur ist im Zweifel immer die Bestellung eines Verfahrensbeistandes empfehlenswert, obschon eine entsprechende rechtliche Pflicht in der Rechtsprechung nicht einheitlich bewertet wird und höchstrichterlich ungeklärt ist.
Weiterhin sehr diffizil ist die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts, der gerade bei Doppelstaatlern und Eltern mit faktisch unterschiedlichen, auch temporären, Wohnorten nicht einheitlich angenommen werden kann. § 2a Abs. 1 AdVermiG bezieht sich nur auf die Annehmenden (Plural) und könnte daher zu unzureichenden Ergebnissen führen, wenn beide unterschiedliche Aufenthaltsorte haben. Die Festlegung auf einen gewöhnlichen Aufenthalt ist nicht immer möglich; die undifferenzierte Regelung in § 2a Abs. 1 AdVermiG liefert daher bei unterschiedlichen Wohnorten nicht überzeugende Ergebnisse; eine Verpflichtung zur einheitlichen Bestimmung eines Aufenthaltsortes dürfte darüber hinaus verfassungsrechtlich bedenklich sein. Eine Regelung wie zum Personalstatut bei Mehrstaatlern (Art. 5 Abs. 1 EGBGB) ist dem AdVermiG fremd. Im Sinne des Kindeswohls könnte (und sollte?) sie im entschiedenen Fall nicht auf den Aufenthaltsort des Annehmenden, sondern desjenigen der Annehmenden (Kenia) verweisen.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!