Insolvenzanfechtung: Auszahlungen an Anleger und Kenntnis der NichtschuldLeitsätze 1. Leistet der Schuldner auf gewinnabhängige Ansprüche stiller Gesellschafter, ist eine Kenntnis der für den Schuldner handelnden Personen vom Betreiben eines Schneeballsystems für die Kenntnis der Nichtschuld hinreichend, aber nicht notwendig. Es genügt bereits, wenn sich die Kenntnis darauf bezieht, dass keine Gewinne, sondern Verluste erwirtschaftet werden und es sich bei den an stille Gesellschafter ausgeschütteten Beträgen um Scheingewinne (oder Scheinguthaben) handelt (Fortführung BGH, Urt. v. 07.04.2022 - IX ZR 107/20 - NZI 2022, 563 Rn. 19; BGH, Urt. v. 14.12.2023 - IX ZR 10/23 - NZI 2024, 215 Rn. 25). 2. Das Tatgericht darf einen angebotenen Zeugenbeweis nicht deswegen ablehnen, weil sich seiner Auffassung nach aus einer außergerichtlichen schriftlichen Erklärung des Zeugen - hier: Auskunft gegenüber dem klagenden Insolvenzverwalter - gegen die Behauptung des Beweisführers sprechende Umstände ergeben (Bestätigung BGH, Urt. v. 21.06.2018 - IX ZR 129/17 - WM 2018, 1349 Rn. 22). - A.
Problemstellung Der BGH hatte sich erneut mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Kapitalanleger, der sich an einer Anlagegesellschaft (GmbH & Co. KG) – hier als stiller Gesellschafter – beteiligt, Scheingewinne unter dem Aspekt des § 134 InsO i.V.m. § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO (i.V.m. § 819 BGB) zu erstatten hat. Entscheidend ist dabei zur Abgrenzung einer Forderung der Masse nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB von dem Anspruch aus den §§ 143, 134 InsO die Frage, ob bei einem Schneeballsystem der spätere Insolvenzschuldner oder ihm zurechenbare Personen Kenntnis i.S.d. § 814 BGB hatten, der von ihnen ausgeschüttete Betrag werde von der späteren Insolvenzschuldnerin nicht geschuldet. Mit der Thematik hat sich der BGH in verschiedenen Fallkonstellationen bereits vielfach auseinandergesetzt. Der vorliegende Sachverhalt gehört zu einem größeren Anlagebetrugskomplex aus den 2010er Jahren (bis 2017) zulasten von Anlegern im gesamten Bundesgebiet, wobei beteiligte Gesellschaften wohl in Norddeutschland ansässig waren. Solche Schneeballsysteme, auch als Ponzi Scheme, treten immer wieder auf und sorgen für erhebliche Skandale am (grauen, wenig bis nicht regulierten) Anlegermarkt insbesondere privater Anleger, es soll hier nur aleatorisch an den P&R-Containerfall (2018) erinnert werden mit letztlich wohl Milliardenschäden für private Anleger. Die Judikatur des BGH im Kontext des § 812 BGB (Leistungskondiktion) und des § 134 InsO hat daher erhebliche Bedeutung für die Rückzahlung von Anlegergeldern und Ausschüttungen auf Anlegerkapital. Erstattungen von Anlegern an die Masse der beim Schneeballsystem auf der Zeitachse unweigerlich insolvent werdenden Anlagegesellschaft vergrößern den Anlegerschaden, der bei geringen Insolvenzquoten damit faktisch nicht „nur“ aus dem (nahezu) vollständigen Verlust des Anlegerkapitals besteht, von steuerlichen Risiken einmal ganz abgesehen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung I. Ausgangspunkt ist vorliegend ein völlig intransparentes Anlagemodell mit Angeboten an Anleger zur stillen Beteiligung an einer Anlage-KG in dem Jahrzehnt ab 2010, das als Schneeballsystem aufgezogen war, um Anleger zugunsten der Initiatoren zu prellen: 1. Eingeworben wurden stille Beteiligungen an einer Beteiligungsgesellschaft & Co. KG, der späteren Schuldnerin („S“). Deren Kommanditisten waren eine L. … GmbH & Co. KG („L.“) mit 90% sowie ein gewisser M. mit 10%, denen die Geschäftsführung im Gesellschaftsvertrag übertragen worden war. (Es darf unterstellt werden, dass die von der Geschäftsführung ausgeschlossene Komplementär-GmbH wie verbreitet lediglich Haftungsfunktion hatte, ohne am Vermögen der KG teilzuhaben und ohne dass ihr ein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung zustand.) a) Die stillen Einlagen stellte die S. über einen Rahmenkreditvertrag in Tranchen der L. als Darlehen zur Verfügung, also ihrer Hauptgesellschafterin, die zur Errichtung sowie zum Betrieb eines Luxuspfandhauses von dieser zu verwenden waren. Das an den Tag gelegte „Geschäftsmodell“ war als Schneeballsystem eingerichtet. Die Darlehen wurden gruppenintern missbräuchlich verwendet, ein Luxuspfandhaus nur vorgetäuscht, so dass ein Handeln der Verantwortlichen mit besonders hoher krimineller Energie zu bejahen ist. b) Die geschäftlichen Maßnahmen umfassten die Inpfandnahme von Gegenständen (gegen Kredit, sog. „Pfandkredit“ oder „Lombardkredit“, vgl. Pamp in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 50 Rn. 31 bis 35), deren Wert absichtlich deutlich zu hoch bemessen wurde, Gegenstände also, die minderwertig bzw. wertlos waren. Hereingenommen wurden auch Inhabergrundschuldbriefe und Inhaberaktien verbundener Unternehmen bzw. nahestehender Personen. Die Wertlosigkeit der an L. ausgereichten Darlehen wurde durch Rahmenverrechnungsvereinbarungen zwischen L. und S. verschleiert; fällige Darlehensrückzahlungsansprüche gegenüber S. wurden mit neu ausgereichten Darlehen verrechnet. Mit neuen Darlehen wurden Pfandkredite bewilligt, abgesichert mit demselben (wenig werthaltigen) Gegenstand, aber mit „neuer Pfandnummer und höherer Bewertung“. Die Darlehen an L. waren somit nicht werthaltig; bei der in der Besprechungsentscheidung umrissenen Vorgehensweise mussten die Darlehensansprüche der S. gegen L. auf der Zeitachse immer wertloser werden und die Werthaltigkeit bis auf „null“ sinken. 2. Der beklagte Anleger hatte sich an einem der Beteiligungsangebote im Jahr 2011 mit 15.000 Euro zzgl. Agio, im Jahr 2012 mit 50.000 Euro als stiller Gesellschafter beteiligt. In den Jahren 2013 bis 2015 erhielt er von S. einige Auszahlungen auf seine Beteiligungen, wobei 2013/2014 auch eine (Teil-)Rückzahlung auf Einlagen erfolgte, und zwar in Höhe von ca. 11.000 Euro zusammen mit den Gewinnauszahlungen während des gesamten Zeitraums 2013 bis 2015. Gegenstand des Beteiligungsvertrages war die Gewinnabhängigkeit von Ausschüttungen (Rn. 13 des Besprechungsurteils, unter Hinweis auf das Parallelurteil des Senats vom 14.12.2023 - IX ZR 10/23 Rn. 19). Für die Anleger sollten die Jahresabschlüsse der Schuldnerin Maßstab der Ausschüttung sein, die allerdings fehlerhaft waren und Jahresüberschüsse statt Fehlbeträge ausgewiesen haben, ungeachtet der Bestätigung durch einen Wirtschaftsprüfer (Rn. 12 des Besprechungsurteils). Der Insolvenzverwalter hat daher die Jahresabschlüsse neu aufstellen lassen (BGH, Urt. v. 14.12.2023 - IX ZR 10/23 Rn. 19). 3. Über das Vermögen der L. wurde am 02.01.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet, auch die S. geriet dann in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter der S. hat den Beklagten auf Rückzahlung der ausgezahlten Beträge unter dem Aspekt der Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung in Anspruch genommen, soweit die Zahlungen aus Scheinguthaben resultierten. II. Das LG Landau/Pfalz (Urt. v. 11.08.2021 - 4 O 424/20) hat die Klage abgewiesen, das OLG Zweibrücken (Urt. v. 28.06.2023 - 7 U 176/21) die Berufung des Klägers zurückgewiesen, aber die Revision zugelassen. III. Der BGH hat auf die Revision des Klägers das Urteil des OLG Zweibrücken aufgehoben und an die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 1. Am Anfang der Entscheidungsgründe wiederholt der Senat aus seiner Rechtsprechung den Grundsatz, Ausschüttungen an Anleger auf Gewinnbeteiligung und Einlagen seien als unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO anfechtbar, wenn „der Schuldner sie ohne Rechtsgrund vorgenommen hat und ihnen nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (§ 140 InsO) keine ausgleichende Gegenleistung gegenübersteht“ (Rn. 10 des Besprechungsurteils). Im Zweipersonenverhältnis sei diese Konstellation zu bejahen, wenn der rechtsgrundlosen Leistung kein Rückforderungsanspruch (nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) gegenüberstehe (Bezugnahme u.a. auf BGH, Urt. v. 20.04.2017 - IX ZR 252/16 Rn. 25, der Kondiktionsanspruch aus Leistungskondiktion war dort durch zulässige Aufrechnung erloschen). 2. Ob die Leistung vorliegend rechtsgrundlos erfolgt ist, bemisst sich (u.a. in Verbindung mit den Bedingungen des Vertrages über die stille Beteiligung) aus dem Blick von Berufungsgericht und BGH nach den vom Insolvenzverwalter neu erstellten Jahresabschlüssen der S. für die Bezugsjahre und nicht nach deren eigenen (fehlerhaften) Jahresabschlüssen für diese Zeiträume, die der tatsächlichen Ausschüttung zugrunde gelegt worden waren. Das Berufungsurteil hatte jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, welcher Jahresabschluss nun zutreffend sei, derjenige des Insolvenzverwalters oder der ursprüngliche des Schuldners. Dies ist in der erneuten Berufung nachzuholen. 3. Habe der auf eine Verbindlichkeit Leistende positiv gewusst, er sei nicht zur Leistung verpflichtet, sei § 814 (Fall 1) BGB anwendbar (Kenntnis der Nichtschuld, eine rechtshindernde Einwendung gegen den Kondiktionsanspruch aus Leistungskondiktion), der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB fällt weg, und der Anwendungsbereich des § 134 Abs. 1 InsO (Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung) ist eröffnet. Erforderlich, aber auch ausreichend für eine Kenntnis der Nichtschuld nach § 814 Fall 1 BGB sei die positive Kenntnis der Rechtslage aufseiten des Leistenden. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er die zugrunde liegenden Tatsachen kennt und aufgrund einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ die daraus resultierende richtige Folgerung zieht. Dabei geht es um innere Vorgänge des Leistenden – oder bei rechtsfähigen Organisationen um innere Vorgänge der für die Auslösung der Leistungen verantwortlichen handelnden natürlichen Personen –, die sich aus äußeren Indizien erschließen. Der BGH hat vorliegend zutreffend darauf erkannt, ein Schuldner, der wisse, er erwirtschafte keine Gewinne, sondern müsse Verluste hinnehmen, wisse auch, dass die Anleger keinen Ausschüttungsanspruch haben. Die Schuldnerseite habe hier gewusst, dass aufgrund der Verlustsituation Ausschüttungen nur getätigt werden konnten, wenn die neu eingeworbenen Anlegergelder mindestens zu einem großen Teil für die Ausschüttungen an die „Altanleger“ verwendet würden. Der Auffassung des OLG Zweibrücken, aus den konkreten Klauseln in dem Vertrag über die stille Gesellschaft könne trotz der grundsätzlichen Gewinnabhängigkeit der Ausschüttung eine Leistungspflicht der S. unabhängig von der Ertragslage gefolgert werden, widerspricht der Senat. Diese Klauseln (hier und in Parallelfällen zu dem hier ausgeurteilten Fall) seien „nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der üblicherweise beteiligten Kreise […] auszulegen […]“ (Rn. 13 des Besprechungsurteils). Folge hiervon ist, dass die Auszahlungen an den Beklagten fehlerhaft und rechtsgrundlos waren. 4. Ob die auf Schuldnerseite Verantwortlichen Kenntnis i.S.d. § 814 BGB hatten, sei eine vom Tatrichter zu entscheidende Frage. Die dortigen Feststellungen habe das Revisionsgericht nach § 559 ZPO hinzunehmen, soweit sich der Tatrichter „umfassend und widerspruchsfrei“ mit dem Prozessstoff auseinandergesetzt habe und die Beweiswürdigung nicht Denkgesetze bzw. Erfahrungssätze verletze. Hierbei handelt es sich um ein zutreffendes „Standardargument“, das hier zu den folgenden Beanstandungen des Berufungsurteils hinführt. 5. Vorliegend hat der Senat das Berufungsurteil mehrfach gerügt. a) Der Kläger habe die „konkrete Person“, die die Zahlungen an den Beklagten vorgenommen habe, entgegen dem OLG Zweibrücken nicht zu benennen. Zwar sei für die Kenntnis der Nichtschuld nach § 814 BGB die Kenntnis des verantwortlichen Organmitglieds oder rechtsgeschäftlichen Vertreters der zahlenden Anlagegesellschaft entscheidend und nicht eine andere, den Zahlungsvorgang lediglich unmittelbar auslösende natürliche Person. Vorliegend habe die Geschäftsführung der S., zunächst durch M. (vgl. unter B I. 1.), die Zahlungen ausgelöst; zu dessen Kenntnis i.S.d. § 814 BGB habe der Kläger hinreichend vorgetragen und schriftliche Auskunft des M. bzw. Zeugenbeweis angeboten; das Berufungsgericht habe den Zeugenbeweis (fehlerhaft) übergangen. b) Rechtsfehlerhaft und verfahrensfehlerhaft habe das Berufungsurteil verkannt, dass der Kläger zur Kenntnis der Geschäftsführung der S. vom Schneeballsystem schlüssig vorgetragen hatte. Zur Kenntnis der Nichtschuld i.S.d. § 814 BGB sei die Kenntnis der Geschäftsführung der Schuldnerin vom Schneeballsystem der L. zwar „hinreichend“, aber nicht einmal „erforderlich“. Es genüge vielmehr, wenn die Geschäftsführung wisse, man habe Verluste statt Gewinne erwirtschaftet und die Auszahlungen an die stillen Gesellschafter seien nur Scheingewinne bzw. Scheinguthaben. Auf Bilanzkenntnisse der Geschäftsführung komme es nicht an, es genüge, wenn für den Geschäftsführer aufgrund der ihm bekannten Vertragsstrukturen erkennbar war, dass der Vergleich zwischen den von L. zu zahlenden Darlehenszinsen und der gegenüber den Anlegern versprochenen „Gewinnbeteiligungen“ zeigte, die S. könne keine Gewinne erzielen. Hierzu habe das Berufungsgericht – fehlerhaft – keine Feststellungen getroffen. Die Kenntnis von M., es würden nur Scheingewinne erwirtschaftet, die spätestens ab Mitte 2012 vorgelegen habe, sei der Schuldnerin auch nach dessen Ausscheiden aus der Geschäftsführung „weiter zuzurechnen“ (Rn. 21 des Besprechungsurteils). Dies insbesondere dann, wenn zu jenem Zeitpunkt bereits Dokumentationspflicht bestand. Das sei der Fall, wenn die Verlustsituation aufgrund des zweifelhaften Geschäftsmodells bekannt sei und dennoch Scheingewinne ausgeschüttet würden. 6. In dem erneuten Berufungsverfahren muss das OLG Zweibrücken Beweis erheben und feststellen, welche Kenntnis die Geschäftsführung der S. zum Zeitpunkt der fraglichen Ausschüttungen jeweils hatte, namentlich durch Zeugeneinvernahme des M. Das OLG Zweibrücken wird aber zunächst festzustellen haben, warum die Jahresabschlüsse der Schuldnerin fehlerhaft waren und diejenigen, die der Insolvenzverwalter hat erstellen lassen, zugrunde zu legen sind.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Stellt das Berufungsgericht in dem erneuten Berufungsverfahren begründet fest, allein die neuen Jahresabschlüsse des Insolvenzverwalters seien richtig, wird „nur“ noch die Kenntnis der Geschäftsführung der S. i.S.d. § 814 BGB nach Maßgabe der Rechtsausführungen des BGH dazu festzustellen sein. Wird diese nach Beweiswürdigung bejaht, steht fest, dass es einen Kondiktionsanspruch des Klägers gegen den beklagten Anleger zwar nicht gibt. Dann ist aber der Anwendungsbereich des § 134 InsO eröffnet. Wird umgekehrt die Kenntnis nach § 814 BGB verneint, was eher überraschend erscheint, würde auch ein Anspruch aus § 134 InsO i.V.m. § 143 InsO zu verneinen sein, da infolge des Kondiktionsanspruchs des Klägers die Auszahlungen an den Beklagten zwar rechtsgrundlos, aber nicht unentgeltlich waren, sondern entgeltlich. Interessant und zu begrüßen ist die Wissenszurechnung des ausgeschiedenen M. Erreicht wird dies u.a. durch Bejahung einer Dokumentationspflicht in dergleichen Fällen, wie das in einem ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb (vgl. hierzu auch das vom Senat zitierte Urteil des BGH v. 02.02.1996 - V ZR 239/94 - BGHZ 132, 30) geboten ist. Verantwortliche für dubiose Geschäftsvorfälle werden solche Dokumentationen unterlassen; dies ändert aber nichts daran, dass ihr nachgewiesenes Wissen dem Unternehmen noch ggf. Jahre danach zuzurechnen ist. II. 1. Grundlage der Lösung der Problematik des vorliegenden Streitgegenstandes ist die Judikatur des BGH, wonach zwischen rechtsgrundloser Leistung nach Bereicherungsrecht (hier: Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) und Unentgeltlichkeit nach § 134 InsO zu unterscheiden ist. Die beiden Begrifflichkeiten der „Rechtsgrundlosigkeit“ und „Unentgeltlichkeit“ dieser Normen sind nicht identisch, die rechtsgrundlose Leistung kann entgeltlich sein, aber der Bereicherungsanspruch kann etwa durch Aufrechnung erloschen sein (vgl. eingehend BGH, Urt. v. 20.04.2017 - IX ZR 252/16 - BGHZ 216, 350, Ls. und Rn. 3, 6, 7 ff., dort zur Verneinung der Unentgeltlichkeit, wenn der Leistende irrtümlich angenommen hat, eine Verpflichtung zur Leistung an die Gegenpartei zu haben). Hat der Leistende einen Kondiktionsanspruch erworben, war die Leistung entgeltlich, § 134 Abs. 1 InsO ist nicht anwendbar. Ist der entstandene Kondiktionsanspruch aber ebenfalls erloschen, hat der Leistende bzw. hat sein Insolvenzverwalter überhaupt keinen Anspruch mehr. 2. § 814 BGB ist eine rechtshindernde Einwendung (Buck-Heeb in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 814 Rn. 1 m.w.N.), die einen Fall des venire contra factum proprium darstellt, ein Fall wohl eher des Vertrauensschutzes des Empfängers denn der mangelnden Schutzbedürftigkeit des Leistenden (vgl. dazu Martinek/Heine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 814, Stand: 01.02.2023 Rn. 3, 4). Ist § 814 BGB anwendbar, entfällt der Bereicherungsanspruch des Leistenden bzw. seines Insolvenzverwalters, so dass ein Anspruch aus § 134 InsO besteht. III. Bei Leistungen im Rahmen eines Schneeballsystems richten sich bei Verneinung eines Kondiktionsanspruchs die etwaigen Ansprüche des Insolvenzverwalters für die Masse somit allein nach § 134 InsO, da in diesen Fällen die erfolgten Auszahlungen unentgeltlich sind. Betroffen sind nicht nur Scheingewinne, sondern auch Rückzahlungen auf die stille Einlage, wenn diese zum Zeitpunkt der Rückzahlung nach Beendigung der Gesellschaft durch Verluste gemindert war und der Gesellschafter nach dem Vertrag über die stille Gesellschaft am Verlust teilnahm; in diesem Fall besteht kein Auseinandersetzungsanspruch auf volle Rückzahlung der Einlage (§ 235 Abs. 1 HGB), die daher insoweit teilweise aus der Auszahlung eines Scheinguthabens besteht. Dem Anspruch aus Leistungskondiktion steht in solchen Fällen die Kenntnis der Umstände, die zur Anwendung des § 814 BGB führen, auf der Seite des Leistenden entgegen (BGH, Urt. v. 14.12.2023 - IX ZR 10/23 Rn. 15 - ZInsO 2024, 849, Parallelentscheidung zur Besprechungsentscheidung). IV. Inwieweit der danach zur Rückgewähr (§ 134 InsO i.V.m. § 143 Abs. 1 InsO) verurteilte Beklagte tatsächlich leisten muss, richtet sich nach § 143 Abs. 2 InsO, so dass dem Beklagten auch der Einwand des § 818 Abs. 3 BGB zur Seite steht, ungeachtet des § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO mit den dortigen Verweisungen (auf die §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 2, 292 Abs. 1, 994 ff. BGB). Ihm obliegt freilich entsprechender Vortrag im Anfechtungsprozess sowie die Beweislast hierfür.
- D.
Auswirkungen für die Praxis I. Die Judikatur des BGH in diesen Fällen der Schneeballsysteme ist zu den Kernthemen der §§ 812, 814 BGB, § 134 InsO als gefestigt anzusehen. Maßgeblich bleibt stets der einzelne Vertrag über die Kapitalanlage und schließlich als Vorfrage, ob überhaupt ein Schneeballsystem vorliegt. Die Erstattungsbeträge der Anleger im Anfechtungs- bzw. Kondiktionsrechtsstreit kommen der Gesamtheit der Gläubiger zugute und erhöhen strukturell auch die den Anlegern zufließenden Beträge aus der Anmeldung (§ 174 InsO) ihrer nach Verlustbeteiligung (soweit vereinbart) verbliebenen Kapitaleinlage. Die an den Verwalter erstatteten Beträge (gleich ob ausgeschüttete Scheingewinne oder zurückbezahlte geminderte Einlagebeträge) sind nicht quotenbildend, da kein Anspruch i.S.d. § 144 InsO besteht. II. Zu beachten ist bei der stillen Gesellschaft als Anlagemodell außerdem, dass nur der „typisch Stille“ seine Einlage nach § 236 HGB als Insolvenzforderung anmelden kann (§ 174 InsO); der atypische unterliegt nach den üblichen Vertragsgestaltungen § 39 Abs. 2 InsO. III. Da die Anfechtungstatbestände sich nicht untereinander ausschließen, sind auch Ansprüche gegen stille Gesellschafter auf Rückgewähr aufgrund der Anfechtungstatbestände der §§ 130, 131, 133, 136 InsO möglich. Faktisch werden Zahlungen unter den §§ 130, 131 InsO kaum in dem hierfür relevanten Zeitraum erfolgen, für § 133 InsO dürfte es an der subjektiven Voraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO auf Anlegerseite fehlen. § 136 InsO dürfte ebenso meist nicht anwendbar sein, da es an einer Vereinbarung i.S.d. § 136 Abs. 1 Satz 1 InsO fehlt, denn auf Rückzahlung infolge Kündigung oder Fristende der Beteiligung nach Maßgabe des (ursprünglichen) Beteiligungsvertrages ist § 136 InsO unanwendbar.
|