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Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 28.03.2025 - V ZR 105/24
Autor:Dr. Johannes Hogenschurz, Vors. RiLG
Erscheinungsdatum:22.05.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 21 WoEigG, § 14 WoEigG, § 20 WoEigG, § 906 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 10/2025 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Hogenschurz, jurisPR-MietR 10/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Folgen der Nutzung baulicher Veränderungen als unbillige Beeinträchtigung?



Leitsätze

1. Bei der Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung (hier: Klimaanlage) einen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt und deshalb nicht gestattet werden darf, sind im Grundsatz nur die unmittelbar mit der baulichen Veränderung verbundenen Auswirkungen, nicht aber Auswirkungen des späteren Gebrauchs (hier: tieffrequenter Schall) zu berücksichtigen. Anders kann es nur sein, wenn bereits bei der Gestattung für die Wohnungseigentümer evident ist, dass der spätere Gebrauch zwangsläufig mit einer unbilligen Benachteiligung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer einhergehen wird.
2. Die Bestandskraft eines Beschlusses, mit dem einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestattet wird, schließt gegen den Bauwilligen gerichtete Abwehransprüche anderer Wohnungseigentümer wegen Immissionen im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums infolge der Nutzung der baulichen Veränderung nicht aus.
3. Ein bestandskräftiger Gestattungsbeschluss hindert die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht daran, die Nutzung der baulichen Veränderung auf der Grundlage der für die Hausordnung eingeräumten Beschlusskompetenz zu regeln; derartige Nutzungsregelungen müssen nicht zugleich mit der Gestattung beschlossen werden.



A.
Problemstellung
Gemäß § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Beschluss gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind. Die Grenzen der Gestattung einer baulichen Veränderung werden in § 20 Abs. 4 WEG abweichend beschrieben, dass sie die Wohnanlage nicht grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen nicht unbillig benachteiligen dürfen. Folge dieser unterschiedlichen Maßstäbe für den Anspruch auf Gestattung und die auf eine Anfechtungsklage hin zu prüfenden weiteren Grenzen für eine Gestattung ist, dass bei einer Anfechtungsklage gegen einen dem Verlangen eines Wohnungseigentümers stattgebenden Beschluss nicht zu prüfen ist, ob ein Anspruch auf die Gestattung – nach § 20 Abs. 2 oder Abs. 3 WEG – bestand (BGH, Urt. v. 09.02.2024 - V ZR 33/23 Rn. 9 - WuM 2024, 171). Durch Mehrheitsbeschluss darf also eine bauliche Veränderung gestattet werden, auch wenn der einzelne Wohnungseigentümer sie nicht verlangen kann.
Gleich, ob man die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gestattung gemäß § 20 Abs. 3 WEG prüft, ob also alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind, oder die Voraussetzungen eines Anfechtungsgrunds gemäß § 20 Abs. 4 WEG, insbesondere ein Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt wird, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen der baulichen Veränderung bei der Gestattung, einer Prognoseentscheidung, beachtet werden müssen, also umgekehrt auch, inwieweit die Gestattung spätere Angriffe gegen die Auswirkungen ausschließt. Die Auswirkungen lassen sich tatsächlich unterscheiden in Beeinträchtigungen durch die Vornahme der Baumaßnahme (wie Baulärm oder die Verschattung durch ein Gerüst), durch Nachteile der Baumaßnahme selbst (wie die Beeinträchtigung der Statik durch die Entfernung einer tragenden Wand), schließlich die Folgen der Nutzung der baulichen Veränderung (etwa durch deren Benutzung, wie die Verschattung durch eine Markise) oder deren Betrieb (wie das Betriebsgeräusch eines Klimaaggregats, leise bei ordnungsgemäßer Unterhaltung, laut bei mangelnder Unterhaltung). Wenn der Gestattungsbeschluss die Folgen der Nutzung der baulichen Veränderung nicht abschließend regelt, stellt sich schließlich die Frage, ob die Nutzung zumindest durch den Beschluss einer Nutzungsordnung (Hausordnung) geregelt werden muss, also das Fehlen einer Nutzungsregelung – wie das Fehlen einer Finanzierung bei dem Beschluss über eine Erhaltungsmaßnahme – die Anfechtbarkeit des Gestattungsbeschlusses begründet.
Bei der Antwort auf diese Fragen muss man einerseits die Zielvorstellung des WEMoG berücksichtigen, bauliche Veränderungen in weitem Umfang zu ermöglichen und die „Versteinerung“ des Baubestands aufzubrechen, andererseits durch den Beschlusszwang (keine bauliche Veränderung ohne vorherigen Gestattungsbeschluss!) für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen und das Risiko frustrierter Investitionen auszuschließen. Schließlich kommt das praktische Problem hinzu, dass sich die Folgen einer baulichen Veränderung mitunter für konkrete Gebäude gar nicht abschätzen lassen, wie das für tieffrequente Lärmimmissionen (Brummen) von Klimaaggregaten – wie man in der vorliegenden Entscheidung lernen kann – der Fall ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Dem Eigentümer einer Penthouse-Wohnung ist auf der Grundlage näherer technischer Angaben durch Beschluss der Einbau eines näher bezeichneten Split-Klimagerätes mit Kernbohrung durch die Außenwand gestattet und dabei festgelegt worden, dass das Außengerät auf Dämpfsockeln zur Körperschallentkoppelung zu montieren ist und wo es an der Fassade anzubringen ist. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage machte unter anderem die mögliche Beeinträchtigung durch tieffrequenten Schall geltend.
Die rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage ist in den Tatsacheninstanzen (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 03.05.2024 - 14 S 3411/23 - ZMR 2024, 785) ohne Erfolg geblieben. Die befürchtete Beeinträchtigung durch tieffrequenten Schall könne erst nach der Installation der Klimaanlage festgestellt werden, weil es an einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren für die Prognose fehle, wie sich aus der TA Lärm ergebe; deshalb sei auch die Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens zur Klärung ungeeignet. Sollte der Betrieb der Klimaanlage nach der Installation unzumutbare Störungen verursachen, stehe der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG und § 1004 BGB gegen den Störer zu.
Die Revision ist ohne Erfolg geblieben.
Die Beschlusskompetenz für die Gestattung baulicher Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums folge aus § 20 Abs. 1 WEG (BGH, Urt. v. 09.02.2024 - V ZR 244/22 Rn. 12 - WuM 2024, 165), so der BGH.
Der Beschluss widerspreche auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Der Beschluss über die Gestattung einer baulichen Veränderung sei auf die Klage eines anderen Wohnungseigentümers nur für ungültig zu erklären, wenn die beschlossene Maßnahme die Wohnanlage grundlegend umgestalte (§ 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG), einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteilig (§ 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG) oder der Beschluss an einem anderen (allgemeinen) Beschlussmangel leide.
Insbesondere eine unbillige Benachteiligung i.S.v. § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG liege hier nicht vor. Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers setze voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei objektiv wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfe (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.2024 - V ZR 244/22 Rn. 44 - WuM 2024, 165). Die bauliche Veränderung müsse zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führen, indem die Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen (BT-Drs. 19/18791, S. 66). Es komme – anders als bei der Beeinträchtigung i.S.v. § 20 Abs. 3 WEG – nicht darauf an, ob sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt fühlen könne. Umstände, die zwangsläufig mit der Maßnahme verbunden sind, können für sich allein nicht keinen unbilligen Nachteil begründen (BGH, Urt. v. 11.10.2024 - V ZR 22/24 Rn. 16 - WuM 2024, 752).
In die Prüfung einzubeziehen seien auch die Auswirkungen des späteren bestimmungsgemäßen Gebrauchs einer baulichen Veränderung – hier: die mit dem Betrieb der Klimaanlage verbundenen Immissionen (vgl. etwa LG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2024 - 2-13 S 48/23 Rn. 13 - WuM 2024, 421; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 373, 379; Häublein, ZWE 2022, 372, 373). Streitig sei, ob schon das Risiko erheblicher Lärmstörungen eine unbillige Benachteiligung begründen könne (Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 20 Rn. 157) oder nur solche Auswirkungen berücksichtigt werden sollen, die zwangsläufig und untrennbar mit dem Betrieb einer Klimaanlage verbunden seien (vgl. Leidner, ZWE 2024, 380, 381; Häublein, ZWE 2022, 372, 373), weil sich nachteilige Immissionen regelmäßig nach Inbetriebnahme regeln lassen (AG Ludwigshafen, Urt. v. 26.01.2022 - 2p C 88/21 Rn. 12 - ZWE 2022, 371 mit Anm. Häublein, ZWE 2022, 372, 373).
Der BGH klärt: Bei der Prüfung, ob eine bauliche Veränderung einen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig benachteiligt und deshalb nicht gestattet werden darf, seien grundsätzlich nur die unmittelbar mit der baulichen Veränderung verbundenen Auswirkungen einzubeziehen, hier die Kernbohrung durch die Außenfassade sowie Art und Ort der Anbringung des Klimageräts. Nicht zu berücksichtigen seien Auswirkungen des späteren Gebrauchs, es sei denn, wenn bereits bei der Gestattung für die Wohnungseigentümer evident sei, dass der spätere Gebrauch zwangsläufig mit einer unbilligen Benachteiligung eines oder mehrerer Wohnungseigentümer einhergehen werde.
Zur Begründung führt die Entscheidung an:
Weil es bei der Prüfung der Einhaltung der Grenze des § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG um die Abwägung gegenläufiger Interessen von bauwilligem und überstimmtem Wohnungseigentümer gehe, erscheine es am ehesten als gerecht, bei der gerichtlichen Überprüfung im Grundsatz nur auf die unmittelbar mit der baulichen Veränderung als solche verknüpften Vor- und Nachteile abzustellen. Wer bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum vornehmen möchte, müsse diese auf seine Kosten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 WEG) durchführen und habe deshalb regelmäßig objektiv nachvollziehbare Interessen daran. Beispielsweise könne es für die Vermietbarkeit von Vorteil sein, eine Klimaanlage auf eigene Kosten einzubauen. Ergeben sich allerdings aus der Installation eines Klimageräts, insbesondere aus Art und Ort der Anbringung Nachteile wie Verschattungen, d.h. aus der geplanten Maßnahme als solche nachteilige Auswirkungen, können und müssen diese im Vorfeld der Gestattung gegen die Vorteile der baulichen Veränderung abgewogen werden.
Für dieses Verständnis spreche auch der Gesetzeszweck (vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 26), denn das am 01.12.2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) will den vorhandenen Sanierungsbedarf dadurch auflösen, dass Hürden für eine bauliche Veränderung abgesenkt werden, und den Wohnungseigentümern die Möglichkeit geben, den baulichen Zustand ihrer Anlagen einfacher an die sich stetig ändernden Gebrauchsbedürfnisse anzupassen. Wären Auswirkungen der späteren Nutzung bei der Gestattung zu bedenken, würden Prognosen über ggf. bei dem Betrieb auftretende Auswirkungen, die zudem ganz maßgeblich vom späteren Nutzungsverhalten des die Gestattung begehrenden Wohnungseigentümers abhängen, der Mehrheit der Wohnungseigentümer zugewiesen.
Die Berücksichtigung nur von unmittelbar mit der baulichen Veränderung zusammenhängenden Auswirkungen wahre die Möglichkeit, die Maßnahme auf das Kosten-Risiko des bauwilligen Sondereigentümers (§ 21 Abs. 1 Satz 1 WEG) zu gestatten, auch wenn die bauliche Anlage später zur Vermeidung erst aus dem Betrieb folgender Nachteile nur eingeschränkt genutzt werden könne.
Den Bedenken wegen mit der späteren Nutzung verbundener Benachteiligungen könne anderweitig Rechnung getragen werden, dies auch dann, wenn der Gestattungsbeschluss nicht angefochten werde. Die Bestandskraft des Gestattungsbeschlusses schließe gegen den Bauwilligen gerichtete Abwehransprüche anderer Wohnungseigentümer wegen Immissionen im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums infolge der Nutzung nicht aus. Der Gestattungsbeschluss legitimiere nicht zugleich ihre Benutzung (a.A. wohl Häublein, ZWE 2022, 372, 373). Die Nutzungsbefugnis folge vielmehr daraus, dass die errichtete bauliche Anlage zu Sondereigentum werde oder zu Gemeinschaftseigentum, dessen Nutzungen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG allein dem Bauwilligen gebühren.
Bei der Nutzung seien die einschlägigen (gesetzlichen) Vorgaben insbesondere zum Immissionsschutz einzuhalten; von diesen könne auch der Gestattungsbeschluss nicht befreien. Auch nach Gestattung seien die Grenzen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 WEG einzuhalten, also beispielsweise Lärmschutzbestimmungen. Führe die Nutzung zu einem Nachteil, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe, schütze auch der bestandskräftige Gestattungsbeschluss nicht vor Unterlassungsansprüchen (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 374; vgl.a. BGH, Urt. v. 08.03.2019 - V ZR 330/17 Rn. 25 - WuM 2019, 275; BGH, Urt. v. 24.01.2020 - V ZR 295/16 Rn. 18 - WuM 2020, 369). Wohnungseigentümer, die von der Nutzung einer gestatteten baulichen Veränderung in ihrem Sondereigentum nachteilig betroffen seien, können Abwehransprüche nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG bzw. § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 906 BGB zustehen, die sie unabhängig von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend machen können (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2022 - V ZR 106/21 Rn. 11 - WuM 2022, 62). Trotz Gestattung müsse der Störer die Störung, also regelmäßig nicht die gestattete bauliche Veränderung beseitigen. Bei Klimaanalgen werde die Störungsabwehrklage zumeist nur dazu führen, dass die Einwirkungen zeitlich begrenzt werden müssen, damit sie benachbarte Wohnungseigentümer nicht i.S.d. § 906 BGB wesentlich beeinträchtigen (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2018 - V ZR 143/17 Rn. 14 - WuM 2018, 787 für Trompetenspiel im Reihenhaus; BGH, Urt. v. 16.01.2015 - V ZR 110/14 Rn. 18 - WuM 2015, 368 zu Tabakrauch).
Bleibt die Frage, ob schon mit der Gestattung Nutzungsregelungen getroffen werden müssen, um den Anforderungen von § 20 Abs. 4 Alt. 2 WEG oder allgemein ordnungsmäßiger Verwaltung zu genügen. Dies sei möglich, könne aber auch nach Fertigstellung und Inbetriebnahme einer baulichen Veränderung durch Bestimmungen der Hausordnung erfolgen, und müsse, wenn es sich als erforderlich erweise (vgl. zu Ruhezeiten BGH, Beschl. v. 10.09.1998 - V ZB 11/98 - BGHZ 139, 288, 293 = WuM 1998, 738). Ein bestandskräftiger Gestattungsbeschluss stehe dem nicht entgegen.
Bleibt schließlich zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen bereits bei der Gestattung evident ist, ob eine spätere Nutzung zwangsläufig mit einer unbilligen Benachteiligung des von der Mehrheit überstimmten Wohnungseigentümers einhergehen wird, und deshalb der Gestattung der für sich genommen nicht zu beanstandenden baulichen Veränderung entgegensteht. Dazu stellt die Entscheidung für Klimaanlagen folgende Thesen auf:
Für den heimischen Markt zugelassene Klimaanlagen genügen regelmäßig anerkannten Standards, wie den Vorgaben der TA Lärm, die sich im Schwerpunkt mit mittel- und hochfrequentem Schall (Frequenzbewertung A) befassen und auch im Wohnungseigentumsrecht als Anhaltspunkt herangezogen werden können (vgl. zu § 906 BGB BGH, Urt. v. 13.12.2019 - V ZR 152/18 Rn. 34 - WuM 2020, 164).
Eine evident unbillige Benachteiligung könne anzunehmen sein, wenn die Anbringung so geplant sei, dass sich eine Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer durch Immissionen im Vergleich zu anderen objektiv aufdränge, ohne dass dem Vorteile des Bauwilligen gegenüber stünden, etwa wenn ein Klimagerät in unmittelbarer Nähe zum Schlafzimmerfenster des benachbarten Sondereigentümers montiert werden soll, obwohl andere, für den Bauwilligen ebenso geeignete und keinen anderen Wohnungseigentümer benachteiligende Möglichkeiten der Anbringung bestehen.
Eine Benachteiligung durch tieffrequenten Schall dränge sich nicht auf den ersten Blick auf und sei also nicht evident. Denn nach den technischen Vorschriften – Einzelheiten seien hier abgekürzt – sei das Auftreten tieffrequenter Geräusche „im Einzelfall nach den örtlichen Verhältnissen“ zu beurteilen, weil es sehr von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und der Errichtung abhänge. Jedenfalls bei der Frage nach der „Evidenz“ bleibe auch die subjektive Konstitution des eine unbillige Benachteiligung geltend machenden Wohnungseigentümers – hier die Alter und Gesundheit – außer Betracht.
Schließlich liege hier nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage i.S.v. § 20 Abs. 4 Alt. 1 WEG vor. Allgemeine Anfechtungsgründe seien nicht geltend gemacht. Ob, wie geltend gemacht, unzureichende Informationen zu einer Anfechtbarkeit eines Gestattungsbeschlusses führen können (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 23. Aufl., § 20 Rn. 125, 130), könne hier wegen der vorliegenden Informationen dahinstehen.


C.
Kontext der Entscheidung
Ohne Klimageräte leben oder arbeiten zu müssen, ist nach Ansicht des BGH wohl niemandem mehr zumutbar. Außerhalb dieses Beitrags liegen entgegenstehende Gesichtspunkte wie verbindlich vereinbarte Klimaziele, mögliche Gesundheitsgefahren durch die in Klimaanlagen immer noch verwendeten per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) und die Möglichkeit der passiven Wärmedämmung, die im Sommer die Hitze außerhalb der Wohnung und im Winter die Wärme in der Wohnung hält.
Will man die Entscheidung juristisch einordnen, wird die Abkehr von der bisher wohl herrschenden Meinung zu den einzubeziehenden Folgen einer baulichen Veränderung folgerichtig durch die Einschränkung der Reichweite der Gestattungswirkung des Eigentümerbeschlusses abgesichert. Das ist tatsächlich in Fällen schwieriger Prognosen zu den Folgen einleuchtend, aber mit der Zuweisung des Prognoserisikos hinsichtlich negativer Nutzungsfolgen an den bauwilligen Wohnungseigentümer verbunden. Nicht unbeachtet bleiben darf schließlich die Konsequenz, dass der einzelne Wohnungseigentümer die negativen Auswirkungen der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums durch andere Wohnungseigentums unabhängig davon durch Unterlassungsansprüche gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 WEG abwehren kann, ob ein Gestattungsbeschluss gemäß § 20 Abs. 1 WEG vorliegt; damit verliert die Einordnung als bauliche Veränderung mit der Frage der Abgrenzung zur Nutzung, also die Frage nach dem Erfordernis eines Substanzeingriffs praktisch erheblich an Bedeutung.
Wenn man schließlich die Abwehr nicht evidenter, nicht zwangsläufiger Folgen trotz des Gestattungsbeschlusses zulässt, kann man nach den Folgen für den Begriff der „erheblichen Beeinträchtigung“ i.S.v. § 20 Abs. 3 WEG fragen. Bisher galt für das Verhältnis der Wohnungseigentümer ein über § 906 BGB hinausgehendes Rücksichtnahmegebot (vgl. für die möglichen Auswirkungen einer Mobilfunkantennenanlage BGH, Urt. v. 24.01.2014 - V ZR 48/13 Rn. 12 - WuM 2014, 228).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Konzeption des BGH wird mit den konturenlosen Rechtsbegriffen „unmittelbar“, „evident“ oder „zwangsläufig“ erkauft. Das Abstellen auf technische Vorschriften eröffnet den Streit, ob diese im Einzelfall nicht (mehr) den Stand der Technik beschreiben, wie das für die DIN 4109 – Teil I viele Jahre angenommen worden ist. Jedenfalls muss der bauwillige Wohnungseigentümer nachweisen, dass er ein für den heimischen Markt zugelassenes Gerät errichten will, und den ordnungsgemäßen Betrieb (durch regelmäßige Wartung) sicherstellen. Schließlich muss der bauwillige Wohnungseigentümer seine bauliche Veränderung unterhalten und das bedeutet, wie der BGH zu Bodenbelagswechsel und Trittschallschutz herausgearbeitet hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2020 - V ZR 173/19 Rn. 9 - WuM 2020, 514), dass er bei jeder Erneuerung die in diesem Zeitpunkt geltenden technischen Vorschriften einhalten muss, auch wenn Mängel am Gemeinschaftseigentum für die Nichteinhaltung mitursächlich sind.



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