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Anmerkung zu:BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 17.07.2025 - I ZR 43/24
Autor:Dr. Dr. Adem Koyuncu, RA und Arzt
Erscheinungsdatum:31.10.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 7 HeilMWerbG, 12008E267, EUV 2017/745
Fundstelle:jurisPR-MedizinR 10/2025 Anm. 1
Herausgeber:Möller und Partner - Kanzlei für Medizinrecht
Zitiervorschlag:Koyuncu, jurisPR-MedizinR 10/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

PAYBACK: Werbung für Medizinprodukte mit Zuwendungen und sonstigen Werbegaben und die Grenzen des § 7 HWG



Leitsatz

PAYBACK
Bei der Publikumswerbung mit Werbegaben ist die Wertgrenze für geringwertige Kleinigkeiten im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG für Heilmittel, insbesondere Medizinprodukte, bei 1 Euro zu ziehen (für verschreibungspflichtige Arzneimittel vor dem Inkrafttreten des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2013 - I ZR 98/12 Rn. 20 - GRUR 2013, 1264 = WRP 2013, 1587 - RezeptBonus; Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 12.02.2015 - I ZR 213/13 Rn. 21 - GRUR 2015, 813 = WRP 2015, 966 - Fahrdienst zur Augenklinik).



A.
Problemstellung
Das Urteil des BGH befasst sich mit der Werbung für Medizinprodukte. Es geht insbesondere um die Frage, welche betragsmäßigen Wertgrenzen nach § 7 HWG für die Wertreklame für Medizinprodukte gelten. Der BGH stellt klar, wann eine Werbegabe eine „geringwertige Kleinigkeit“ i.S.d. Norm darstellt. Die Entscheidung enthält auch Klarstellungen zur heilmittelwerberechtlichen Beurteilung von Kundenbindungssystemen wie PAYBACK.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Die Beklagte vertreibt in ihren Filialen Hörgeräte und sonstige Produkte für Hörbeeinträchtigte. Die Beklagte kooperiert dabei mit der PAYBACK GmbH, dem größten deutschen Bonusprogramm. Die Beklagte machte Werbung damit, dass Kunden, die eine PAYBACK-Karte beim Bezahlen vorzeigen, pro einem Euro Umsatz einen PAYBACK-Punkt im Wert von einem Cent gutgeschrieben bekommen. Die gesammelten Punkte können dann ausgezahlt oder in Sachprämien, Spenden oder Prämienmeilen umgewandelt werden.
Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen der Werbung mit PAYBACK-Punkten ab und verklagte sie später auf Unterlassung. Sie meinte, diese Werbung für den Kauf von Hörgeräten verstoße gegen das in § 7 HWG normierte Verbot der Werbung mit Werbegaben.
Das LG Hamburg wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das OLG Hamburg die Beklagte zur Unterlassung, soweit sie eine Gutschrift im Gesamtwert von mehr als fünf Euro je Einkauf bewirbt oder veranlasst. Das OLG Hamburg urteilte, dass der Unterlassungsanspruch der Klägerin nur begründet sei, soweit die beworbene bzw. veranlasste Punktegutschrift den Betrag von fünf Euro je Einkauf übersteigt. Bei einer Gutschrift unter fünf Euro liege eine geringwertige Kleinigkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG vor. Die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für preisgebundene Arzneimittel geltende Wertgrenze von einem Euro sei nicht auf Medizinprodukte zu übertragen. Wegen des bei diesen möglichen Preiswettbewerbs sei eine unzulässige Lenkungswirkung durch die Werbegabe erst ab einem Wert von mehr als fünf Euro zu befürchten.
Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH hat die Werbung untersagt.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG sei es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, es liege einer der gesetzlichen Ausnahmefälle nach § 7 HWG vor. Von dem Verbot ausgenommen seien unter anderem „geringwertige Kleinigkeiten“ und Zuwendungen oder Werbegaben, die aus einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag bestehen (Geld- bzw. Barrabatte).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH diene das Verbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG dem Gesundheitsschutz der Verbraucher und sei eine Marktverhaltensregelung. Es soll der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung über den Erwerb von Medizinprodukten und anderen Heilmitteln unsachlich durch Werbegaben beeinflusst werden.
Der BGH hat zunächst entschieden, dass das Berufungsgericht zutreffend die Werbung mit PAYBACK-Punkten je Einkauf als produktbezogene Heilmittelwerbung beurteilt habe, da sie das gesamte Sortiment der Beklagten umfasse und sich auch auf Hörgeräte und damit auch auf Medizinprodukte beziehe. Es sei daher unerheblich, dass sich die Werbung auf das gesamte Sortiment und damit ein Mischangebot von Produkten bezogen habe.
Es liege auch keine bloße Imagewerbung vor. Es handle sich vorliegend zwar um ein Kundenbindungssystem, die Teilnahme am PAYBACK-System biete per se aber keine Vorteile. Der Vorteil realisiere sich für die Kunden vielmehr erst und nur beim Erwerb von Waren bei der Beklagten.
Der BGH hat auch (wie schon das OLG Hamburg) die ausgelobten PAYBACK-Punkte als Werbegaben i.S.d. § 7 HWG eingestuft. Der weit auszulegende Begriff der Werbegabe erfasse grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers unentgeltliche geldwerte Vergünstigung.
Die PAYBACK-Punktegutschrift falle auch nicht unter den Ausnahmetatbestand aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG, da dieser nur für Zuwendungen gelte, die in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden (Barrabatte). Damit seien Preisnachlässe in prozentualer oder sonst auf einfache Weise zu ermittelnder Höhe gemeint, die auf den Normalpreis gewährt werden. Der Ausnahmeregel unterfallen allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautende Gutscheine für den nachfolgenden Erwerb anderer Produkte. PAYBACK-Punkte könnten erst in Folgetransaktionen oder für Gutscheine verwendet werden.
Von den beworbenen PAYBACK-Punkten gehe auch die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Kunden aus. Das liege daran, dass hier – anders als bei Barrabatten – nicht mit der Herabsetzung des Produktpreises, sondern mit einem Vorteil geworben werde, der in keinerlei Zusammenhang mit dem Erwerb des aktuellen Medizinprodukts stehe. Mithin gehe es darum, der Gefahr entgegenzuwirken, dass Kunden wegen der Aussicht auf die PAYBACK-Punkte weniger intensiv (etwa bei anderen Anbietern) nach geeigneten Hörgeräten suchen.
Hinsichtlich der weiteren Ausnahmeregelung in § 7 HWG, die eine Werbung mit „geringwertigen Kleinigkeiten“ erlaube, hat der BGH dem OLG Hamburg bei der betragsmäßigen Wertgrenze für die Annahme solcher geringwertigen Kleinigkeiten widersprochen. Während das OLG Hamburg diese Grenze bei fünf Euro zog, hat der BGH geurteilt, dass die bei einer Publikumswerbung maßgebliche Wertgrenze schon bei einem Euro liege. Werbegaben mit einem Wert über einem Euro seien keine einschlägigen geringwertigen Kleinigkeiten.
Das OLG Hamburg hatte im Berufungsverfahren noch angenommen, dass bei der Publikumswerbung für nicht preisgebundene Medizinprodukte mehr Spielraum bei der Wertgrenze bestehe (also bis fünf Euro) und grenzte diese von der Werbung für preisgebundene Arzneimittel ab, wo die Wertgrenze von einem Euro in der Rechtsprechung anerkannt sei.
In diesem entscheidenden Punkt ist der BGH dem OLG Hamburg nicht gefolgt: Der Preiswettbewerb bei Medizinprodukten rechtfertige die Annahme einer über einen Euro hinausgehenden Wertgrenze nicht. Die Klägerin habe zu Recht darauf hingewiesen, dass Verbraucher gerade bei nicht preisgebundenen Medizinprodukten die Preise vergleichen und auch ausgelobte Werbegaben berücksichtigen müssen. Anders als Barrabatte erschwere die unterschiedliche Ausgestaltung der Werbegaben den Preisvergleich und erhöhe die Intransparenz der Preisgestaltung. Die bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geltende Wertgrenze für geringwertige Kleinigkeiten von einem Euro sei daher „erst recht“ bei der Publikumswerbung für Medizinprodukte zu ziehen.
In diesem Zusammenhang sei auch klarzustellen, dass, soweit seine Ausführungen in der Entscheidung „Fahrdienst zur Augenklinik“ (BGH, Urt. v. 12.02.2015 - I ZR 213/13) so verstanden werden können, dass der BGH für Werbegaben außerhalb des Arzneimittelbereichs ggf. eine höhere Wertgrenze als einen Euro für zulässig hält, daran nicht festgehalten werde.
Zu betonen sei im Übrigen, dass die Frage der „Geringwertigkeit“ nicht relativ nach dem Verhältnis von Werbegabe zum Warenwert, sondern absolut zu bestimmen sei. Dafür spreche bereits der Wortlaut der Norm, der nicht nur von der Geringwertigkeit der Werbegabe, sondern auch von „Kleinigkeit“ spreche. Der Begriff der „Kleinigkeit“ sei absolut zu bestimmen. Eine relative Betrachtung würde dazu führen, dass entgegen dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG mit steigendem Warenwert immer höherwertigere „Kleinigkeiten“ ausgenommen wären. Dann könne eine relevante unsachliche Beeinflussung nicht mehr ausgeschlossen werden.
Ferner befand der BGH (wie das OLG Hamburg), dass bei der Ermittlung, ob eine geringwertige Kleinigkeit vorliege, nicht auf den einzelnen PAYBACK-Punkt, sondern auf die Summe der für den Kauf eines Medizinprodukts gewährten PAYBACK-Punkte abzustellen sei.
Abschließend sei das Argument der Beklagten, dass das Verbot der streitgegenständlichen Werbemaßnahme einen ungerechtfertigten Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit darstelle, zurückzuweisen. Der mit § 7 HWG einhergehende Grundrechtseingriff sei durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Ferner sei eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht veranlasst, da sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts stelle. Es gehe um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt ohne grenzüberschreitenden Bezug.


C.
Kontext der Entscheidung
Den wirtschaftlichen Kontext der Entscheidung bildet die Werbung für Medizinprodukte. Bei der konkreten Werbemaßnahme ging es um sog. Wertreklame für Medizinprodukte, also um die Produktwerbung mit Zuwendungen und Werbegaben. Die maßgebliche gesetzliche Bestimmung hierfür ist § 7 HWG.
In dieser Entscheidung ging es um die Publikumswerbung, also die Werbung für Produkte gegenüber der breiten Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber betroffenen Patienten. Davon abzugrenzen ist die Werbung gegenüber medizinischen Fachkreisangehörigen.
Die veröffentlichte Rechtsprechung zum HWG befasst sich zu einem großen Teil mit der Werbung für Arzneimittel. Zentrale Vorschriften des HWG, wie etwa § 7 HWG, gelten aber auch für Medizinprodukte. Das Urteil zeigt in dem Zusammenhang, dass es bei der Anwendung der HWG-Normen auf die Werbung für Medizinprodukte durchaus noch Klarstellungsbedarf gibt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil enthält für die Werbung für Medizinprodukte und die Anwendung von § 7 HWG praxisrelevante Klarstellungen. Schon im Ausgangspunkt handelt es sich bei § 7 HWG um eine komplexe Norm, die in Struktur und Regelungsinhalt auch durchaus Klarstellungsbedarf aufweist.
Das Urteil ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Werbung für Medizinprodukte und entsprechende wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen in der Praxis an Bedeutung zunehmen. Dabei ist auch zu beachten, dass sich die Werbung für Medizinprodukte in einigen relevanten Punkten von der Werbung für Arzneimittel unterscheidet. Das fängt schon normativ damit an, dass die Werbung für Medizinprodukte sowohl durch das Heilmittelwerbegesetz als auch durch die EU-Medizinprodukteverordnung 2017/745 (dort Art. 7) reguliert wird.
Demgegenüber stellt der BGH für § 7 HWG klar, dass die Ausnahmevorschrift für „geringwertige Kleinigkeiten“ bei der Publikumswerbung für Medizinprodukte genauso anzuwenden ist, wie bei der Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Für beide gilt nunmehr: Ab einer Werbegabe von einem Euro liegt keine geringwertige Kleinigkeit mehr vor.
Dieses Urteil fügt sich in die bestehende und durchaus restriktive Rechtsprechung des BGH zur Auslegung der Ausnahmeregelungen in § 7 Abs. 1 HWG ein. Auch standardisierte Kundenbindungssysteme können unter § 7 HWG fallen, wenn sie zur produktbezogenen Werbung eingesetzt werden.
Die restriktive Linie des BGH bei „geringwertigen Kleinigkeiten“ dürfte in der Praxis Anlass geben, den Blick auf die anderen Ausnahmevorschriften in § 7 HWG zu lenken. So sind etwa nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 HWG Zuwendungen oder Werbegaben von dem Verbot der Wertreklame ausgenommen, wenn sie nur in „handelsüblichem Zubehör“ oder in „handelsüblichen Nebenleistungen“ bestehen. Die Auslegung dieser und anderer Ausnahmeregelungen in § 7 HWG ist noch nicht abschließend geklärt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es in diesem Fall um Publikumswerbung ging und der BGH sich in zentralen Argumenten auf die Situation des Verbrauchers bezieht. Daher bleibt offen, ob die in diesem Urteil angenommene Wertgrenze für geringwertige Kleinigkeiten auch für die Medizinproduktewerbung gegenüber medizinischen Fachkreisangehörigen gilt. Wie gesagt, ist § 7 HWG eine komplexe Norm, die durchaus noch Klarstellungsbedarf aufweist, und zwar auch nach diesem Urteil.



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