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Anmerkung zu:BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 29.04.2025 - 4 BN 23.24
Autor:Dr. Johannes Grüner, RA und FA für Verwaltungsrecht
Erscheinungsdatum:04.09.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 35 BBauG, § 1 BBauG, § 47 VwGO
Fundstelle:jurisPR-ÖffBauR 9/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Johannes Handschumacher, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Grüner, jurisPR-ÖffBauR 9/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Kein Anspruch auf Einbeziehung eines Grundstücks in Außenbereichssatzung



Orientierungssätze

1. Das Interesse, mit einem Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, ist für sich genommen kein abwägungserheblicher Belang, der dem Eigentümer die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle vermittelt.
2. Die für den Anspruch auf Einbeziehung eines Grundstücks in einen Bebauungsplan entwickelten Grundsätze können auf Außenbereichssatzungen übertragen werden.



A.
Problemstellung
In der vorliegenden Entscheidung hat sich das BVerwG mit der Frage befasst, ob der Eigentümer eines im planungsrechtlichen Außenbereich belegenen Grundstücks einen Anspruch auf die Einbeziehung seines Grundstücks in den räumlichen Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB hat.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens wandte sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine gemeindliche Außenbereichssatzung gemäß § 35 Abs. 6 BauGB.
Mit der angegriffenen Außenbereichssatzung verfolgte die Antragsgegnerin das Ziel, Rechtssicherheit für die in den vergangenen Jahrzehnten im Außenbereich entstandene Wohnbebauung zu schaffen, den fraglichen Bereich städtebaulich geordnet zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Splittersiedlung nicht weiter anwächst sowie das Maß der baulichen Nutzung zu begrenzen.
Der Antragsteller ist Eigentümer eines östlich des Satzungsgebiets belegenen Grundstücks und begehrte die Einbeziehung seines Grundstücks in den räumlichen Geltungsbereich der Außenbereichssatzung. Nachdem eine Einbeziehung seines Grundstücks nicht erfolgte, wandte sich der Antragsteller im Wege der objektiven Normenkontrolle (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) gegen die Außenbereichssatzung. Der Antragsteller machte geltend, sein Grundstück liege innerhalb des Bebauungszusammenhangs und der bestehenden Siedlungsstruktur, so dass ihm die durch die Satzung beabsichtigte Rechtssicherheit ebenfalls zu gewähren sei. Ein sachlicher Grund für die Nichteinbeziehung seines Grundstücks liege nicht vor; sein Grundstück weise dieselben Merkmale auf wie die in den Geltungsbereich der Satzung einbezogenen Grundstücke. Die Nichteinbeziehung seines Grundstücks sei daher willkürlich, so dass zumindest aus diesem Grund eine Antragsbefugnis gegeben sein müsse.
Der VGH München lehnte den Normenkontrollantrag in erster Instanz durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ab. Der Antrag sei bereits unzulässig, da es dem Antragsteller an der erforderlichen Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fehle. Das Interesse des Antragstellers an der Einbeziehung seines zwar bebauten, aber durch ein unbebautes Grundstück vom Geltungsbereich der Satzung getrennten Grundstücks sei kein geschützter abwägungserheblicher Belang bei der Aufstellung einer Außenbereichssatzung. Anhaltspunkte für eine willkürliche Grenzziehung lägen nicht vor (VGH München, Beschl. v. 02.05.2024 - 9 N 23.2191).
Das BVerwG hat die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen und die Entscheidung des VGH München bestätigt. Zur Begründung wird in dem Beschluss ausgeführt:
Das Interesse, mit einem Grundstück in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans einbezogen zu werden, sei für sich genommen kein abwägungserheblicher Belang. Die planende Gemeinde müsse das Interesse eines Eigentümers, das Plangebiet entgegen den bisherigen planerischen Vorstellungen auf sein Grundstück ausgedehnt zu sehen, nicht in die Abwägung einbeziehen. Dieses Interesse sei eine bloße Erwartung, die nicht schutzwürdig und damit auch nicht abwägungserheblich ist.
Diese ursprünglich für die Einbeziehung eines Grundstücks in den räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans entwickelten Grundsätze könnten auf Außenbereichssatzungen übertragen werden. Auch mit dem Erlass einer Außenbereichssatzung werde die Gemeinde allein im öffentlichen Interesse tätig. Auf die Aufstellung einer solchen Satzung bestehe – ebenso wie bei einem Bebauungsplan – kein Anspruch (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Auch das vom Antragsteller geltend gemachte Willkürargument hatte keinen Erfolg: Der Willkürmaßstab werde – so das BVerwG – stets auch vom jeweiligen Sachzusammenhang bestimmt. Die Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans habe einen anderen sachlichen Bezug als die Grenzziehung bei einer Außenbereichssatzung. Das Planungsermessen der Gemeinde bei der Bauleitplanung ist grundsätzlich weit und umfasst das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ sowie die Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs des Plans. Demgegenüber sei das Ermessen der Gemeinde beim Erlass einer Außenbereichssatzung enger, da deren Geltungsbereich sich nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB nur auf bebaute Flächen im Außenbereich erstrecken darf, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist. Dementsprechend sei die Bandbreite möglicher Sachgründe (und damit das Ausscheiden von Willkür) für die Nichteinbeziehung eines Grundstücks in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans tendenziell weiter als bei einer Außenbereichssatzung. Die von der Antragsgegnerin für die Nichteinbeziehung herangezogene Begründung (Lage des Grundstücks außerhalb der Wohnbebauung sowie Verhinderung des Anwachsens der Splittersiedlung) sei zwar vom Antragsteller kritisiert worden, es werde aber keine Willkür der Entscheidung der Antragsgegnerin aufgezeigt.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Realisierung von Wohnbauvorhaben ist im Außenbereich nur sehr eingeschränkt planungsrechtlich zulässig. Denn Wohnbauvorhaben zählen nicht zu den nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben. Es handelt sich mithin um sonstige Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB, welche nur zugelassen werden können, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Regelmäßig scheitert die planungsrechtliche Zulässigkeit von Wohnbauvorhaben im Außenbereich an einem Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) oder der Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
Hier setzt das 1998 in seiner jetzigen Form in das BauGB eingeführte Instrument der Außenbereichssatzung an. Denn diese ermöglicht es einer Gemeinde, gewisse Erleichterungen für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Wohnbauvorhaben im Außenbereich zu schaffen: Im Geltungsbereich einer solchen Satzung kann einem Wohnbauvorhaben gemäß § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB nicht entgegengehalten werden, dass es den Darstellungen eines Flächennutzungsplans über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widerspricht oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lässt.
Anders als bei der Aufstellung eines Bebauungsplans wird durch eine Außenbereichssatzung also nicht der Gebietscharakter verändert. Durch die Satzung erfolgt vielmehr eine Modifizierung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 35 BauGB. Dementsprechend ist der in der kommunalen Praxis mitunter verwendete Begriff des „kleinen Bebauungsplans“ für die Außenbereichssatzung missverständlich.
Der Gesetzgeber hat relativ strenge Voraussetzungen für die Aufstellung einer Außenbereichssatzung aufgestellt und verlangt insbesondere, dass der fragliche Bereich bereits mit Wohnbebauung von einigem Gewicht bebaut ist (VGH München, Entsch. v. 11.01.2017 - Vf. 7-VII-16; BVerwG, Urt. v. 13.07.2006 - 4 C 2/05; OVG Münster, Urt. v. 18.11.2004 - 7 A 4415/03). Eine Erweiterung des räumlichen Geltungsbereichs der Satzung über den bebauten Bereich hinaus ist grundsätzlich nicht zulässig (BVerwG, Urt. v. 13.07.2006 - 4 C 2/05; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.07.2000 - 1 L 4472/99; OVG Münster, Urt. v. 08.06.2001 - 7a D 52/99.NE). Darüber hinaus muss die Außenbereichssatzung städtebaulich erforderlich sein (§ 1 Abs. 3 BauGB) und dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB genügen (OVG Münster, Urt. v. 17.04.2009 - 10 D 27/07.NE).
Die Aufstellung einer Außenbereichssatzung liegt im Ermessen der Gemeinde (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Werkstand: 157. Erg.-Lfg. November 2024, § 35 Rn. 171).
Die Rechtsprechung musste sich bereits in verschiedensten Konstellationen mit der vorliegend interessierenden Frage der Antragsbefugnis für ein Normenkontrollverfahren gegen eine Außenbereichssatzung befassen. So wurde verschiedentlich die Antragsbefugnis von Eigentümern von im Außenbereich belegenen Grundstücken verneint, die sich gegen eine Außenbereichssatzung für benachbarte Grundstücke mit dem Argument wandten, durch die mit dieser ermöglichten Bebauung beeinträchtigt zu werden. Nach der soweit ersichtlich einhelligen Auffassung der Rechtsprechung sind Aspekte wie das Gebot der Rücksichtnahme jedoch nicht Gegenstand der Abwägung der Gemeinde bei der Aufstellung einer Außenbereichssatzung und könnten mithin auch die Antragsbefugnis gegen eine solche Satzung nicht begründen (VGH München, Urt. v. 07.08.2017 - 2 N 14.1850; OVG Münster, Urt. v. 27.03.2015 - 7 D 94/13.NE; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.05.2018 - OVG 10 A 4.14).
Ebenso wurde die Antragsbefugnis eines Eigentümers eines innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs einer Außenbereichssatzung belegenen Grundstücks, welcher durch die Satzung das Entstehen von Konflikten aufgrund des Heranrückens von schutzbedürftiger Bebauung befürchtete, verneint. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass eine Außenbereichssatzung ausschließlich eine positive, die Zulässigkeit bestimmter sonstiger Vorhaben unterstützende, aber keine negative Wirkung für den in ihren Geltungsbereich einbezogenen Grundeigentümer habe (BVerwG, Beschl. v. 29.10.2019 - 4 BN 36/19; OVG Münster, Urt. v. 05.04.2019 - 7 D 64/17.NE). In der Literatur wird vor dem Hintergrund der in diesen Entscheidungen verdeutlichten Hürden für die Antragsbefugnis von der „Normenkontroll-Resilienz“ der Außenbereichssatzung gesprochen (Tysper, BauR 2020, 433).
Dieser Befund wird durch die vorliegende Entscheidung des BVerwG gestützt. Das Gericht führt mit nachvollziehbaren Argumenten aus, dass auch das Interesse, in den Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung einbezogen zu werden, für sich betrachtet kein abwägungserheblicher Belang sei, so dass keine Antragsbefugnis hieraus abgeleitet werden könne. Die vom Gericht zur Begründung gezogene Parallele zum nicht bestehenden Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans ist – auch in Ansehung der bereits angesprochenen Unterschiede beider Instrumente – überzeugend. Hierfür spricht bereits, dass nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht nur der Anspruch auf Aufstellung von Bebauungsplänen, sondern auch von sonstigen städtebaulichen Satzungen ausgeschlossen ist. Sähe man dies anders, würde dies faktisch zu einer zumindest erheblichen Einschränkung des Satzungsermessens der Gemeinde führen. Die Entscheidung des BVerwG ist damit zu begrüßen.
Ob in diesem Kontext überhaupt noch Raum für eine ausnahmsweise Bejahung der Antragsbefugnis aufgrund einer behaupteten Willkür der Gemeinde bei der Festlegung des räumlichen Umgriffs des Satzungsgebiets besteht, erscheint äußerst zweifelhaft. Interessant sind insoweit jedenfalls die Ausführungen des Gerichts zum je nach Kontext (Bauleitplan oder Außenbereichssatzung) individuellen Willkürmaßstab. Im konkreten Fall musste das BVerwG dieser Frage aber nicht nachgehen, da es dem Antragsteller schon nicht gelungen war, eine tatsächliche Willkür der Gemeinde bei der Festlegung des räumlichen Umgriffs darzulegen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des BVerwG verdient in der Sache Zustimmung, auch wenn sie einmal mehr die verhältnismäßig hohen Hürden aufzeigt, die Zulässigkeitsschwelle in einem gegen eine Außenbereichssatzung gerichteten Normenkontrollverfahren zu überwinden.
Sofern es den Eigentümern von im Außenbereich belegenen Grundstücken nicht gelingen sollte, die Gemeinde von der Einbeziehung ihrer Grundstücke in den räumlichen Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung zu überzeugen, dürfte nach der vorliegenden Entscheidung des BVerwG bereits die Überwindung der Zulässigkeitsschwelle eines Normenkontrollantrags gegen die Außenbereichssatzung große Schwierigkeiten bereiten. Das BVerwG stärkt mithin die Position der planenden Gemeinde.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der Antragsteller rügte überdies das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, da der VGH München ohne mündliche Verhandlung entschieden hatte. Dem folgte das BVerwG nicht und führte aus, die Entscheidung, ob eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde, unterliege nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO dem richterlichen Ermessen. Bei der Ausübung dieses Verfahrensermessens müsse das Gericht die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK vorrangig beachten.
Das BVerwG bekräftigte seine bisherige Rechtsprechung zur Entscheidung von Normenkontrollverfahren ohne mündliche Verhandlung (BVerwG, Beschl. v. 03.08.2017 - 4 BN 11/17; BVerwG, Beschl. v. 25.03.2019 - 4 BN 14/19) und führte aus, dass im vorliegenden Fall, in dem mangels schutzwürdigen Interesses auf Einbeziehung in die Satzung keine Antragsbefugnis bestehe, zu Recht ohne mündliche Verhandlung entschieden worden sei.



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