Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nach Abgabe eines Arzneimittels in einer ApothekeLeitsatz Die Leistung einer Krankenkasse zur Versorgung eines Versicherten mit Arzneimitteln ist mit Abgabe in der Apotheke auf Verordnung eines Vertragsarztes hin erbracht und abgeschlossen. Hieran sowie an der Zuständigkeit der Krankenkasse ändert sich auch nachträglich bzw. rückwirkend nichts, falls der Versicherte das Arzneimittel später anteilig auch während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Rentenversicherung weiter einnimmt. Die Krankenkasse hat insoweit keinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger. - A.
Problemstellung Das SG Bremen hat sich mit einem Anspruch einer gesetzlichen Krankenkasse gegen einen gesetzlichen Rentenversicherungsträger auf Erstattung von anteiligen Kosten für in der vertragsärztlichen Versorgung verordnete Arzneimittel, die nach Bezug in einer Apotheke von den versicherten Personen auch im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme eingenommen wurden, befasst und diesen verneint.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Krankenkasse nahm den später beklagten Rentenversicherungsträger als Rehabilitationsträger im Hinblick auf mehrere bei beiden Sozialversicherungsträgern versicherte Personen rechtlich in Anspruch, nachdem sich herausgestellt hatte, dass diese Arzneimittel, die vertragsärztlich zulasten der Krankenkasse verordnet und über eine Apotheke zur Verfügung gestellt worden waren, teilweise auch während einer zeitlich später zulasten des Rentenversicherungsträgers erbrachten stationären Rehabilitationsmaßnahme eingenommen wurden. Die Medikamente wurden jeweils von den versicherten Personen in die stationäre Rehabilitationseinrichtung mitgebracht. Den vorgerichtlich geltend gemachten Anspruch lehnte der Rentenversicherungsträger ab. Die Krankenkasse erhob sodann Klage auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 24.918,35 Euro beim SG Bremen. Nach ihrer Auffassung habe sie einen Erstattungsanspruch aus § 103 Abs. 1 SGB X in Höhe der (anteiligen) Arzneimittelkosten. Die Versicherten hätten während der jeweiligen Rehabilitationsmaßnahme weiterhin die Medikamente eingenommen und der Rentenversicherungsträger sei im Rahmen der medizinischen Rehabilitation nach § 42 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (bis zum 31.12.2017: § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX) zur entsprechenden Versorgung verpflichtet und die Krankenkasse seien nicht mehr zuständig gewesen. Auch wenn man grundsätzlich davon ausgehen könne, dass in Einlösung des vertragsärztlich ausgestellten Rezepts in der Apotheke und Aushändigung des Arzneimittels an die versicherte Person der Zeitpunkt der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenkasse zu sehen sei, greife § 103 Abs. 1 SGB X, weil es zu einem Zuständigkeitswechsel bezüglich der Medikamentenversorgung im Verhältnis der in der Arzneimittelpackung insgesamt enthaltenen Tagesdosen zu den in der stationären Rehabilitation verbrachten Tagen komme. Krankenkasse und Rentenversicherung hätten sich in so etwas Ähnlichem wie einer Art „Bruchteilsgemeinschaft“ bei der Versorgung derselben versicherten Person mit anteiligen Inhaltsteilmengen ein und derselben Arzneimittelpackung befunden. Demgegenüber betonte die Krankenkasse im gerichtlichen Verfahren, dass der Bedarf für die Arzneimittel nicht während der stationären Rehabilitationsmaßnahme festgestellt worden sei, sondern bereits vor deren Antritt im Rahmen der ambulanten Krankenbehandlung. Die Krankenkasse sei auch nicht als Rehabilitationsträger einer medizinischen Rehabilitation nach § 5 Nr. 1 SGB IX i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX i.V.m. den §§ 42 ff. SGB IX tätig geworden. Das SG Bremen hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch aus § 103 Abs. 1 SGB X komme nicht in Betracht. Hierfür hätte es einer nachträglichen Änderung der Leistungskompetenz des bisher leistenden Trägers nach erfolgter Vorleistung in Form einer rückwirkenden Änderung bedurft (Weber in: BeckOK SozR, 77. Ed., § 103 Rn. 12). Eine solche Änderung des Anspruchs der versicherten Personen gegenüber der klagenden Krankenkasse habe es nicht gegeben. Das Gericht wies darauf hin, dass die spätere Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zulasten des beklagten Rentenversicherungsträgers ebenso wie die eigenständige Einnahme weiterer Medikamente aus dem Inhalt der Arzneimittelverpackung keinen Einfluss auf den zu einem früheren Zeitpunkt entstandenen und erfüllten Anspruch von gesetzlich krankenversicherten Personen zulasten der klagenden Krankenkasse in deren eigener, originärer Leistungskompetenz mittels vertragsärztlicher Verordnung und Abgabe durch eine an der Versorgung der gesetzlich versicherten Personen teilnehmenden Apotheke habe. Insoweit verneinte das Gericht das Vorliegen der von der klagenden Krankenkasse angenommenen „Bruchteilsgemeinschaft“. Der frühere Anspruch der versicherten Person auf Versorgung mit Arzneimitteln sei zum späteren Zeitpunkt einer etwaigen Rehabilitationsmaßnahme bereits erfüllt und könne durch diese weder dem Inhalt noch dem Leistungsverpflichteten nach nachträglich beeinflusst werden. Weder der Rehabilitationsträger noch die Rehabilitationseinrichtung könne, auch nicht nachträglich, für die Erfüllung früherer Ansprüche gegen eine gesetzliche Krankenkasse im System der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig sein. Der der versicherten Person dort zustehende Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln werde durch die Apotheken in Form der Verschaffung von Medikamenten erfüllt, nachdem die Vertragsärztin bzw. der Vertragsarzt diesen Anspruch nach § 31 SGB V mit der vertragsärztlichen Versorgung konkretisiert habe. Der Leistungsanspruch ende vollständig mit Abgabe durch die Apotheke an die versicherte Person. Auf die tatsächliche – sukzessive – Einnahme des verordneten Medikaments komme es nicht an, zumal in der Regel die versicherte Person über das Ob, Wie und Wann entscheide und auch sonst keine andere Person anwesend sei, von der ein Akt der Versorgung, Leistungserbringung oder Ähnliches ausgehen könne. Hiervon unabhängig müsse die Frage betrachtet werden, ob die in der Rehabilitationsmaßnahme befindliche Person ggf. währenddessen einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln durch den Rehabilitationsträger haben könne, auch unabhängig davon, ob ein solcher Anspruch geltend gemacht werden würde. Der strittige Erstattungsanspruch müsse von in diesem Verfahren aber nicht streitgegenständlichen Fall unterschieden werden, auch wenn die versicherte Person die zuvor im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erlangte Arzneimittelpackung nicht mit in die Rehabilitationseinrichtung nehmen möchte oder sollte. Nur dann stelle sich die Frage, unter welchen weiteren Voraussetzungen ein solcher Anspruch bestehe, z.B. ob es einen spezifischen Bezug zum „Rehaleiden“ als Anlass der Rehabilitationsmaßnahme geben würde. Das Gericht verneinte einen Erstattungsausspruch auch im Rahmen des § 14 SGB IX. Ein solcher sei mangels „Überlappens“ der Trägerzuständigkeiten hinsichtlich der Arzneimittelversorgung nicht gegeben. Auch lasse sich kein Anspruch der klagenden Krankenkasse aus dem Verhalten der versicherten Personen ableiten, wenn diese bereits vorhandene Arzneimittelbestände in eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mitnehmen. Dies stelle sich als Kehrseite der im System der Versorgung mit Medikamenten mittels standardisierter Packungseinheiten für bestimmte Zeiträume dar, was dazu führe, dass die versicherte Person noch über einen ausreichenden Vorrat an Arzneimitteln verfüge mit der Folge, dass ein etwaiger Anspruch auf Arzneimittelversorgung zulasten des Rehabilitationsträgers nicht geltend gemacht werde. Das sei nach Ansicht des SG Bremen aber als „Nebeneffekt“ der geltenden Versorgungsstruktur im Bereich der Arzneimittel hinzunehmen. Im Übrigen dürfte ein (hypothetisches) System, das beispielsweise auf die Kosten- und Effizienzvorteile der Verordnung und Abgabe von „Dreimonatspackungen“ (N3) verzichtet und eine engmaschig wiederholte, etwa wöchentliche Prüfung eines (weiteren) Anspruchs bzw. etwa für jede einzelne Verordnung ein Genehmigungserfordernis seitens der Krankenkasse vorsähe (wodurch diese ggf. bei sich abzeichnender Rehabilitationsmaßnahme nur eine kleinere Packungsgröße genehmigen könnte), schon angesichts des Aufwandes nicht zu Ersparnissen führen. Da sich der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auch nicht aus anderen Erstattungsregelungen ergebe, wies das SG Bremen die Klage als unbegründet ab. Der klagende Rentenversicherungsträger hat gegen die Entscheidung Berufung zum LSG Celle-Bremen erhoben, wo das Verfahren derzeit das Az.: L 4 KR 349/25 führt.
- C.
Kontext der Entscheidung Im System der gesetzlichen Krankenversicherung haben versicherten Personen nach § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 SGB V auch einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, wenn diese notwendig sind, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das Arzneimittel wird unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 SGB V nach § 2 Abs. 1 SGB V im Wege der Sachleistung zur Verfügung gestellt. Aus § 31 SGB V bezieht sich dieser Anspruch auf apothekenpflichtige Arzneimittel, soweit diese nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB V sind diese Richtlinien unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a, 35b SGB V zusammenzustellen, so dass der Vertragsärztin bzw. dem Vertragsarzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses sind für die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die gesetzlich versicherten Personen und die Leistungserbringenden verbindlich. Als oberstes Gremium der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Gemeinsame Bundesausschuss somit befugt, mit normativer Wirkung für alle im System der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligten Personen und Institutionen Entscheidungen zu treffen. Soweit es die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung betrifft, ist aktuell die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) in der Fassung vom 18.12.2008/22.01.2009 zu beachten (veröffentlicht in der Beilage des Bundesanzeiger BAnz 49a vom 31.03.2009, in Kraft getreten am 01.04.2009, zuletzt geändert am 17.07.2025, veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 10.10.2025 B2, in Kraft getreten am 11.10.2025). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AM-RL konkretisiert die Richtlinie den Inhalt und Umfang der im SGB V festgelegten Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen auf der Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots im Sinne einer notwendigen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des Prinzips einer humanen Krankenbehandlung. § 9 Abs. 1 AM-RL wiederholt das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Nach § 9 Abs. 3 AM-RL soll die behandelnde Vertragsärztin oder der behandelnde Vertragsarzt die zu verordnende Menge (Packungsgröße) der Art und Dauer der Erkrankung anpassen, wobei nach Nr. 1 für akute Erkrankungen gilt, dass hier eine kleine, für das angestrebte Therapieziel ausreichende Menge verordnet werden soll. Aus § 9 Abs. 3 Nr. 3 AM-RL folgt, dass bei chronischen Krankheiten die Verordnung von großen Mengen wirtschaftlicher sein kann als die wiederholte Verordnung kleiner Mengen. Das SG Bremen hat folglich in seiner Entscheidung das Erfordernis der besonderen Sorgfalt betont, so dass darauf zu achten ist, dass die zu verordnende Menge (Packungsgröße) der Art und Dauer der Erkrankung anzupassen ist. Der der gesetzlich versicherten Person im Wege der Sachleistung zustehende Anspruch auf Gewährung von Arzneimitteln ist ein konkretisierungsbedürftiges Rahmenrecht und wird durch die vertragsärztliche Verordnung nach § 15 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V konkretisiert (vgl. Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl. 2025, § 31 Rn. 71; Müller-Götzmann in: BeckOGK, § 31 SGB V Rn. 5, Stand 15.05.2025; Axer in: Becker/Kingreen, SGB V, 9. Aufl. 2024, § 31 Rn. 18; BSG, Urt. v. 19.11.1996 - 1 RK 15/96 Rn. 15). Da sich der Anspruch der gesetzlich versicherten Personen nach § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 SGB V i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur auf apothekenpflichtige Arzneimittel bezieht, ist die vertragsärztliche Verordnung nach § 129 Abs. 1 SGB V in einer Apotheke vorzulegen, für die nach § 129 Abs. 3 SGB V der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Wirkung entfaltet. Die gesetzlich versicherte Person hat nach § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V dann das Recht zur freien Apothekenwahl unter allen in Betracht kommenden Apotheken. Der Vergütungsanspruch der Apotheke, bei der die vertragsärztliche Verordnung vorgelegt wird und die das Arzneimittel nach deren Maßgabe an die gesetzlich versicherte Person aushändigt, ergibt sich dann direkt aus § 129 SGB V und dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 SGB V (vgl. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 5. Aufl. 2025, § 129 Rn. 104; BSG, Urt. v. 22.02.2023 - B 3 KR 7/21 R Rn. 7; BSG, Urt. 06.03.2012 - B 1 KR 14/11 R Rn. 13; BSG, Urt. v. 28.09.2010 - B 1 KR 3/10 R Rn. 13), ohne dass es über § 69 Abs. 1 SGB V eines Rückgriffs auf die kaufvertraglichen Regelungen des § 433 BGB bedarf (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 - B 3 KR 13/08 R Rn. 15; Müller-Götzmann in: BeckOGK, § 31 SGB V Rn. 163, Stand 15.05.2025; Axer in: Becker/Kingreen, SGB V, 9. Aufl. 2024, § 129 Rn. 12). Die Vertragsärztin bzw. der Vertragsarzt bleibt gleichwohl „Schlüsselfigur“ der Arzneimittelversorgung (vgl. Axer in: Becker/Kingreen, SGB V, 9. Aufl. 2024, § 129 Rn. 11; so bereits: BSG, Urt. v. 17.01.1996 - 3 RK 26/94 Rn. 25). Die Apothekerin bzw. der Apotheker schließen mit der versicherten Person keinen Behandlungsvertrag i.S.d. § 630a BGB ab, da es an einer heilkundlichen Tätigkeit mangelt (vgl. BT-Drs. 17/10488, S. 18; OLG Köln, Urt. v. 07.08.2013 - I-5 U 92/12 Rn. 53; ferner: Walter in: BeckOGK BGB, § 630a Rn. 11, Stand 01.09.2025; Wagner in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2023, § 630a Rn. 15; Wigge/Schütz, A&R 2016, 7, 15; Rehborn, GesR 2013, 257, 258), die den Apotheker*innen auch aus berufsrechtlicher Sicht untersagt ist (vgl. z.B. § 11 Satz 1 der Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg). Allgemein geht man davon aus, dass auf das Rechtsverhältnis zwischen den Apotheker*innen und ihren Kund*innen Kaufvertragsrecht anwendbar ist. Axer (in: Becker/Kingreen, SGB V, 9. Aufl. 2024, § 129 Rn. 12; auch Wagner in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2023, § 630a Rn. 15) spricht in diesem Zusammenhang in Anbetracht der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse von einem „einseitig verpflichtenden Kaufvertrag“ zwischen der Apothekerin bzw. dem Apotheker und der gesetzlich versicherten Person in Bezug auf das aufgrund der vertragsärztlichen Verordnung auszugebende Arzneimittel. Die versicherte Person erhält das von der Apotheke unter der Vorlage der Verordnung erworbene Arzneimittel auf Kosten seiner Krankenkasse (vgl. Kaufmann in: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, 3. Aufl. 2023, § 12 Rn. 1, der die versicherte Person unter Bezugnahme auf die frühere Rechtsprechung nicht als Vertragspartei eines Kaufvertrags, sondern in analoger Anwendung des § 328 BGB als begünstigte dritte Person eines öffentlich-rechtlichen Kaufvertrags ansehen will). In dinglicher Hinsicht erwirbt die versicherte Person dann durch Einigung und Übergabe nach § 929 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB Eigentum an dem Arzneimittel und mit Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auch Besitz. Mit Aushändigung des Medikaments wird dann auch der Sachleistungsanspruch der versicherten Person aus § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfüllt (vgl. Sieper in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, vor ApoG Rn. 13). Hiervon ist das SG Bremen in seiner Entscheidung auch zu Recht ausgegangen. Die Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung ist dann abgeschlossen. Das, was dann folgt, hat auf die abgeschlossene vertragsärztliche Verordnung eines Arzneimittels zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Einfluss mehr. Sofern sich – wie im vorliegenden Fall – zeitnah hieran eine stationäre Rehabilitationsbehandlung anschließt, ist in der Aushändigung des Medikaments in der Apotheke sozialversicherungsrechtlich eine Zäsur zu sehen. Folgt eine solche stationäre Rehabilitationsmaßnahme, hat diese keine Auswirkungen auf die vorangegangene abgeschlossene Krankenbehandlung. Dies gilt auch umgekehrt, selbst wenn man davon ausgeht, dass die gesetzliche Krankenkasse, zu deren Lasten das Arzneimittel verordnet wurde, nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX für eine medizinische Rehabilitation nach § 5 Nr. 1 SGB IX i.V.m. den §§ 42 ff. SGB IX zuständig sein kann. Die Zuständigkeiten für Leistungen nach dem SGB IX können im Einzelfall schwer zu bestimmen sein, was gerade für die leistungsberechtigte Person oft nicht einfach zu überblicken ist. Deshalb können Rehabilitations- und Teilhabeleistungen nach dem SGB IX grundsätzlich bei jedem in Betracht kommenden Rehabilitationsträger i.S.d. § 6 SGB IX beantragt werden. Der zuerst angegangene Rehabilitationsträger muss dann binnen einer Frist von zwei Wochen seine Zuständigkeit prüfen und den Antrag ggf. an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterleiten. Geschieht dies nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Wochen, tritt die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträger ein (vgl. von der Heide in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 5. Aufl. 2023, § 14 Rn. 17), er wird „automatisch“ zum leistenden Rehabilitationsträger (vgl. von Boetticher/Kuhn-Zuber, Rehabilitationsrecht, 2. Aufl. 2022, Rn. 70). Dies gilt selbst dann, wenn eine Zuständigkeit tatsächlich nicht gegeben ist. Dann tritt zugunsten der antragstellenden Person die Zuständigkeit im Außenverhältnis allein durch Zeitablauf als Folge einer gesetzlichen Verpflichtung durch Unterlassen ein (vgl. Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl. 2023, § 14 Rn. 96). Zuständigkeitsstreitigkeiten dürfen somit nicht zulasten der antragstellenden Person gehen. Diese soll die ihr zustehende Leistung schnell bekommen, und zwar ggf. auch von einem eigentlich unzuständigen Leistungsträger. Dieser ist jedoch nicht rechtlos gestellt. Denn im Innenverhältnis bleiben die Kostentragungspflichten der Rehabilitationsträger nach ihren gesetzlichen Zuständigkeiten weiterhin bestehen (vgl. Eicher in: Schaumberg/Eicher, Die Rehabilitationsträger des SGB und ihr Leistungsspektrum, Kap. C IV Rn. 41). Dem unzuständigen Rehabilitationsträger wird über § 16 SGB IX ein Erstattungsanspruch gegenüber dem zuständigen Rehabilitationsträger zugestanden, so dass jenem hinreichend Rechtsschutz gewährt wird (vgl. Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 4. Aufl. 2023, § 14 Rn. 87). Ein auf § 16 SGB IX gestützter Erstattungsanspruch setzt aber voraus, dass sich der Fall im Leistungssystem des SGB IX bewegt und der in diesem Zuge vorleistende Sozialversicherungsträger in seiner Funktion als Rehabilitationsträger tätig geworden ist. Und hieran scheiterte ein solcher Anspruch im vom SG Bremen entschiedenen Fall, da die Verordnung des Arzneimittels im System der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V und nicht im System der Rehabilitation und Teilhabe für Menschen mit Behinderungen nach dem SGB IX erfolgte. Ein „Überlappen“ der Trägerzuständigkeiten wurde klar verneint. Die beiden Leistungssysteme sind voneinander abgegrenzt.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des SG Bremen ist als Klarstellung für die Praxis zu begrüßen. So hat das Gericht den Zeitpunkt der Erfüllung des Sachleistungsanspruchs der versicherten Person gegen ihre gesetzliche Krankenkasse aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Bezug auf die Versorgung mit Arzneimitteln klar und konsequent bestimmt, indem es zutreffend auf die Einlösung des vertragsärztlich verordneten sog. „Kassenrezept“ in einer Apotheke, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Geltung hat, und die dann folgende (dingliche) Aushändigung des Medikamentes an die versicherte Person abstellt. Mit Überantwortung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Inhalt der Arzneimittelpackung an die gesetzlich krankenversicherte Person endet zugleich auch die tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme von Apotheke, verordnender Vertragsärztin bzw. verordnendem Vertragsarzt sowie der gesetzlichen Krankenkasse, bei der die das Medikament empfangende Person versichert ist. Die versicherte Person wird i.S.d. Compliance das Arzneimittel wohl in der Regel entsprechend der vertragsärztlichen Versorgung einnehmen, damit dies zur Gesundung beiträgt. Es sind aber gleichwohl auch andere – zweckfremde – Szenarien denkbar, z.B. die Weigerung, die Arzneimittel einzunehmen, bis hin zur (entgeltlichen) Weitergabe des gesamten Inhalts der Medikamentenpackung oder Teilen hiervon an Dritte. In Anbetracht der Tatsache, dass der Heilungsprozess oft nur schwer vorhersehbar ist und wegen der festen Verpackungsgrößen von Fertigarzneimitteln ist es auch nicht ausgeschlossen, dass selbst bei ordnungsgemäßer Einnahme ein Rest an Arzneimitteln verbleibt, der vielleicht später aufgebraucht, weitergegeben oder gar entsorgt wird. Dies sind alles Umstände, die von den Leistungserbringern in der gesetzlichen Krankenversicherung und selbst auch von den gesetzlichen Krankenkassen nicht vorhergesehen werden können. Das SG Bremen hat in diesem Zusammenhang aber zutreffend erkannt, dass ein auf Kosten- und Effizienzvorteile der Verordnung und Abgabe gerichtetes engmaschiges Überprüfungs- oder Genehmigungsmodell zu unverhältnismäßig hohen Verwaltungskosten führen würde, die etwaige Einsparungen aufzehren würden. Zu begrüßen ist die Entscheidung auch in Bezug auf die Klarheit der Trennung der unterschiedlichen Systeme, ihrer Kostenträger und deren Aufgabenbereichen. Die gesetzliche Krankenkasse ist für die akute Krankenbehandlung nach dem SGB V, die Rehabilitationsträger sind für Leistungen nach dem SGB IX und den für den jeweiligen Leistungsträger zuständigen Leistungsgesetzen verantwortlich. Leistungen der medizinischen Rehabilitation i.S.d. § 5 Nr. 1 SGB IX i.V.m. den §§ 42 ff. SGB IX sind von der Krankenbehandlung i.S.d. § 27 SGB V zu trennen, da sie auf unterschiedliche Ziele ausgerichtet sind. Krankenbehandlung wird nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V erbracht, wenn sie notwendig ist, eine Krankheit zu erkennen (Diagnose), zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Leistungen der medizinischen Rehabilitation werden nach § 42 Abs. 1 SGB IX zugunsten von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB IX erbracht, um entweder Behinderungen oder chronische Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI) zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhindern sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu verhüten oder laufende Sozialleistungen zu mindern. Dass hier in beiden Fällen Arzneimittel zum Einsatz kommen können und die in der Krankenversicherung versicherte Person nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V ebenso wie die leistungsberechtigte Person im Recht der Rehabilitation und Teilhabe nach § 42 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX einen Anspruch gegenüber dem jeweiligen Leistungsträger auf Versorgung mit ebendiesen Arzneimitteln hat, darf nicht dazu führen, beide Systeme durch Konstruktion einer „Bruchteilsgemeinschaft“ miteinander zu vermischen. Den vom SG Bremen so bezeichneten „Nebeneffekt der geltenden Versorgungsstruktur im Bereich der Arzneimittel“, dass in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnete und durch eine Apotheke an die versicherte Person abgegebene Arzneimittel später auch während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme, die in den Leistungsbereich eines anderen Sozialversicherungsträger fällt, eingenommen werden, wird man dann eben hinnehmen müssen. Abhilfe könnte nur die Gesetzgebung leisten, sofern man hier einen Bedarf sehen würde. Die Komplexität der praktischen Umsetzung einer solchen Erstattungspflicht darf aber nicht unterschätzt werden.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Das SG Bremen hatte sich nur mit einem Erstattungsanspruch einer gesetzlichen Krankenkasse gegen einen Rentenversicherungsträger zu befassen, wobei es hier nicht um einen Einzelfall, sondern um mehrere gleich gelagerte Fälle ging, die in der Klage mit einem im Urteil nicht näher aufgeschlüsselten Gesamtbetrag i.H.v. 24.918,35 Euro geltend gemacht wurden. Die einzelnen Vertragsärzt*innen waren in dem Verfahren auch nicht nach § 75 SGG beigeladen worden. Ob die jeweilige vertragsärztliche Verordnung der Arzneimittel im Einzelfall aus medizinischer Sicht zu beanstanden gewesen ist, wurde nicht geprüft, weil es nicht entscheidungserheblich war. In diesem Zusammenhang hat es das Sozialgericht auch folgerichtig ausdrücklich offengelassen, ob ggf. Regressansprüche gegen die verordnenden Vertragsärzt*innen in Betracht kommen, sollte es sich herausstellen, dass bei einer konkret bevorstehenden Rehabilitationsmaßnahme entgegen den Vorgaben der Arzneimittelrichtlinie sowie dem Wirtschaftsgebot eine zu große Packungsgröße verordnet worden ist. Ob derartige Ansprüche – in welcher Höhe auch immer – bestanden hätten, bleibt rein spekulativ. Vor dem Hintergrund des aus § 12 Abs. 1 SGB V folgenden allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots in der gesetzlichen Krankenversicherung sollte aus vertragsärztlicher Sicht in den Fällen, in denen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme unmittelbar bevorsteht, von der Verordnung größerer Arzneimittelpackungen abgesehen werden. Im Regressfall müssten die Krankenkassen letztlich aber konkret nachweisen, dass den die Arzneimittel verordnenden Vertragsärzt*innen der in einem geringen Zeitfenster erfolgende Übergang von der akuten Krankenbehandlung nach dem SGB V in die Rehabilitationsmaßnahme positiv bekannt gewesen ist und die vertragsärztliche Verordnung des Arzneimittels gegen die Arzneimittelrichtlinie verstoßen hat. Eine Verpflichtung der Vertragsärztin bzw. des Vertragsarztes, nach bevorstehenden Rehabilitationsmaßnahmen zu fragen oder solches anders zu ermitteln, ist nicht ersichtlich. Es stellt sich zudem dann auch die Frage, wie sich die Sachlage darstellen würde, wenn der Zeitraum, bis die Rehabilitationsmaßnahme beginnt, dann doch länger ist, z.B. wenn sich der Beginn verschiebt. Dann wäre vielleicht die vertragsärztliche Verordnung des Arzneimittels zu kurz gegriffen. Es bleiben zu viele Eventualitäten. Ein Regressverfahren in diesem Zusammenhang erscheint somit wenig zielführend und zudem praxisfern.
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