Überschwemmung von Grund und Boden im Fall gepflasterter FlächenLeitsätze 1. Ob eine Überschwemmung von „Grund und Boden“ im Sinne der AVB für eine Elementarschadensversicherung ausgeschlossen ist, wenn diese sich allein auf gepflasterte, geflieste oder sonst wie bearbeitete Grundstücksfläche erstreckt, erscheint zweifelhaft (hier offengelassen). 2. Stehendes Wasser auf einer Geländeoberfläche in einer Höhe von bis zu 5 cm reicht für eine Überschwemmung nicht aus, erforderlich sind insofern „erhebliche Wassermassen“. - A.
Problemstellung Im Rahmen von Wetterextremen kommt es immer häufiger zu Starkregen- und Überschwemmungsereignissen, die an Gebäuden zu schweren Schäden führen und Gebäudeversicherer und Gerichte beschäftigen. Einen solchen Fall hatte der 4. Zivilsenat des OLG Dresden zu entscheiden, nachdem das LG Leipzig in erster Instanz die Klage der Versicherungsnehmerin abgewiesen hat. Das OLG setzt sich dabei mit der umstrittenen Frage des Begriffs „Grund und Boden“ in AVB sowie den Anforderungen an die Annahme einer Überschwemmung oder eines Wasserrückstaus auseinander.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Klägerin verlangt von der beklagten Wohngebäudeversicherung Versicherungsleistungen nach einer behaupteten Überschwemmung ihres Grundstücks. In den vereinbarten AVB, die den marktüblichen entsprechen, heißt es: „3. Überschwemmung, Rückstau 3.1 Überschwemmung ist die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch 3.1.1 Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern; 3.1.2 Witterungsniederschläge; 3.1.3 Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge von Ziff. 3.1.1 oder 3.1.2 … 3.2 Rückstau liegt vor, wenn Wasser durch Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt.“ Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen. Nach Ansicht des Senats gelang es der Klägerin weder eine Überschwemmung gemäß Ziffer 3.1 AVB noch einen Rückstau nach Ziffer 3.2 zu beweisen. Das Landgericht ging davon aus, eine gepflasterte oder zumindest versiegelte Fläche sei kein „Grund und Boden“ im Sinne der AVB. Das OLG Dresden äußerte Zweifel an dieser Auslegung. Zwar sei natürliches Gelände aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als Grund und Boden anzusehen; ob darunter jedoch auch ebenerdige geflieste, gepflasterte oder auf andere Art bearbeitete Flächen zu fassen sind oder ob diese eher als Gebäudeteil anzusehen sind, sei nicht eindeutig. Eine Beantwortung dieser umstrittenen Frage konnte hier jedoch dahinstehen, da die Klägerin keine bedingungsgemäße Überschwemmung nachweisen konnte. Eine Überschwemmung setzt nämlich voraus, dass sich Wasser auf der Geländeoberfläche des Versicherungsgrundstücks ansammelt und in ein Gebäude eindringt, weil es auf dem Gelände weder vollständig versickern noch sonst geordnet auf natürlichem Wege abfließen kann. Zudem muss es sich bei den Wasseransammlungen um eine „erhebliche“ Menge handeln. Kennzeichnend ist nach der Rechtsprechung dabei ein Hinaustreten des Wassers über die Erdoberfläche, so dass das Wasser nicht mehr „erdgebunden“ ist. Eine Anreicherung des Erdbodens mit Niederschlags- und Grundwasser bis zur Sättigungsgrenze genügt demgegenüber nicht. Nach den Schilderungen der Klägerin und der Befragung eines Zeugen gelang der Beweis einer Überschwemmung nicht. Zwar konnte die Rasenfläche außerhalb der Terrasse weiteres Wasser nicht mehr aufnehmen; allerdings sei die Wiese noch sichtbar gewesen, und es kam lediglich zu einer erheblichen Pfützenbildung. Dass das Wasser, wie von der Klägerin geschildert, 5 cm hoch stand, konnte der Zeuge nicht bestätigen. Hinzu komme, dass die Terrasse geringfügig tiefer gelegen ist als das sie umgebende Erdreich, dieses aber nicht unter Wasser gestanden habe. Ferner sei die Klägerin als Schadensursache zunächst selbst von einer unzureichenden Kapazität des Drainagesystems ausgegangen und habe auch eine bauliche Undichtigkeit als mögliche, sogar wahrscheinliche Schadensursache in den Raum gestellt. Auch einen Rückstauschaden gemäß Ziffer 3.2 AVB hat die Klägerin nicht beweisen können. Die Angabe, sie könne „nicht ausschließen“, das Wasser aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren ausgetreten sei, reicht zur Überzeugungsbildung nicht aus.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Bei der Tatbestandsvoraussetzung der Überschwemmung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks lässt das OLG Dresden ausdrücklich offen, ob darunter auch eine gepflasterte oder zumindest versiegelte Fläche, so das Landgericht, zu verstehen sei. Die obergerichtliche Rechtsprechung spricht in der Regel davon, dass sich das Wasser auf der unbebauten Geländeoberfläche ansammeln muss. Klar ist zunächst, dass folglich eine Überschwemmung auf Flachdächern, Balkonen, Kellerlichtschächten u.a. nicht ausreicht (Rechtsprechungsnachweise z.B. bei Günther in: MünchKomm VVG, Band 4, 3. Aufl. 2025, Kap. 50 Elementarschadenversicherung Rn. 37 ff.). Problematisch ist es bei Terrassen. Diese werden oftmals nicht der unbebauten Geländeoberfläche zugerechnet, so dass sich dort ansammelndes Regenwasser nicht versichert wäre (vgl. LG Mönchengladbach, Urt. v. 30.04.2020 - 1 O 278/18 m. Anm. Günther, FD-VersR 2021, 436094; LG Kiel, Beschl. v. 24.04.2008 - 10 S 40/07 - RuS 2009, 23; vgl. ferner insbesondere OLG München, Urt. v. 13.07.2017 - 14 U 3092/15 m. Anm. Günther, ZfSch 2017, 577 sowie allgemein hierzu OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.01.2021 - 11 U 213/20; KG, Beschl. v. 13.04.2021 - 6 U 28/20 - RuS 2022, 258). Sammelt sich Wasser zuerst z.B. auf der Rasenfläche und erst anschließend auf einer Terrasse, in einem Lichtschacht o.a., wäre dieser Geschehensablauf indes gedeckt. Es verwundert ein wenig, dass das OLG Dresden sich mit einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr ähnlichen Konstellation nicht befasst hat, und zwar mit dem „Terrassenurteil“ des OLG München (Urt. v. 13.07.2017 - 14 U 3092/15). Dort ging es gleichfalls um eine Wasseransammlung auf einer Terrasse, wobei die dortige Wasserhöhe wohl oberhalb von 5 cm lag. Eine Anstauung von Wasser auf einer mit einer kleinen Mauer umgebenen Terrasse stellt nach Auffassung des OLG München keine bedingungsgemäße Überschwemmung dar. Vorzugswürdig ist eine vermittelnde Auffassung. Danach ist zu differenzieren, ob das Wasser sich (allein) ansammelte auf Flächen, wo sich auch üblicherweise Regenwasser ansammelt, dieses jedoch auf natürlichem Wege versickert oder abgeleitet wird, oder ob dies eben nicht der Fall war. Wenn daher eine Terrasse z.B. Fugen aufweist, bei denen übliche Regenmengen schadlos versickern, sprechen die besseren Gründe dafür, diese Terrasse noch zur unbebauten Geländeoberfläche zu zählen, bei einer komplett betonierten Terrasse oder sonstigen in toto versiegelten Flächen jedoch nicht. II. Davon unabhängig stellt sich die Frage nach der weiteren Tatbestandsvoraussetzung der erheblichen Wassermengen. Ob dem OLG Dresden dabei eine Wasserstandssäule von 5 cm auf der Terrasse ausgereicht hätte, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Urteil. Aufgrund der weiteren Begründung des OLG zur örtlichen Lage der Terrasse u.a. ist aber wohl davon auszugehen, dass dies nicht der Fall war. Leider wird die Grundfläche der Terrasse nicht mitgeteilt, jedenfalls soweit die Entscheidungsgründe des OLG veröffentlicht sind. Aus der landgerichtlichen Entscheidung (LG Leipzig, Urt. v. 05.12.2024 - 3 O 1016/24) ergibt sich gleichfalls nicht die Grundfläche der Terrasse. Geht man – rein fiktiv – einmal von einer Grundfläche von 15 m² aus, beträgt die Wassermenge bei einer Höhe von 5 cm ¾ m³, also 750 l Wasser. Ob dies bereits eine erhebliche Menge bei einer Elementargefahr darstellt, ist zweifelhaft. Aber dies ist immer eine Frage des Einzelfalls, und es ist ohnehin nicht hilfreich, schematisch auf die Literzahl abzustellen, zumal in der Praxis kaum jemals konkrete Literzahlen festzustellen sind. Dabei kann auch eine zeitliche Betrachtung von Wichtigkeit sein: So kann womöglich auch eine eher geringe Wassermenge ausreichen, wenn diese über einen langen Zeitraum einwirkt und ebenso umgekehrt große Wassermengen über eine kurze Zeitspanne. Maßgebend ist als wichtiges Indiz die Größe der Geländeoberfläche, auf der sich Wasser ansammelte, und als eine erste Annäherung erscheint es sachgerecht, von einer bedingungsgemäßen Überschwemmung auszugehen, wenn ein Anteil von 10% der Grundstücksfläche erreicht wird (so der Günther in: MünchKomm VVG, Band 4, Kap. 50 Elementarschadenversicherung Rn. 39). Dabei ist aber nicht auf das gesamte Grundstück (also einschließlich des darauf sich befindlichen Gebäudes) abzustellen, sondern diese Fläche ist zugunsten des Versicherungsnehmers abzuziehen, so dass nur auf den Anteil der unbebauten Geländeoberfläche abzustellen ist. Gerade bei eng bebauten Grundstücken könnten dann schon recht wenige Quadratmeter ausreichen, bei einem anderen Zuschnitt entsprechend mehr. Zu betonen ist, dass es dabei nur um eine erste Annäherung geht. III. Die gesonderte versicherte Gefahr „Rückstau“ wird vom OLG gleichfalls abgelehnt. Dies ergab sich schon daraus, dass es hier bereits an einem substanziierten Vorbringen i.S.v. § 138 Abs. 1 ZPO fehlte, da die Klägerin selbst davon ausging, ein Rückstauschaden sei „nicht auszuschließen“, was offensichtlich den Beweismaßstab des § 286 ZPO nicht erfüllt. Unabhängig davon blieb offen, ob die Drainage an das Gebäude angeschlossen war. Oft sind Drainagen, die der Ableitung von Regenwasser dienen, in Form einer Ringdrainage um, aber nicht an das Haus angelegt. Eine solche Drainage soll das Regenwasser vom Grundstück ableiten. Es ist dann kein „gebäudeeigenes“ Ableitungsrohr, sondern ein Rohr zur Ableitung von Wasser, welches sich auf dem Grundstück bzw. im Erdreich ansammelt. Stellt man auf die Alternative einer „damit verbundenen Einrichtung“ ab, gilt dies gleichermaßen, da der Begriff einer Verbindung einen festen baulichen Zusammenhang mit dem Gebäude voraussetzt (vgl. hierzu z.B. OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 - 1 U 87/14 - VersR 2016, 1247).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Oftmals wird es in der Praxis um den zu führenden Nachweis gehen. Das OLG Dresden geht jedenfalls zutreffend von dem Beweismaßstab des § 286 ZPO aus. Sind die Hausbewohner während des Schadenfalls vor Ort, dürften in aller Regel Smartphone-Videos, Fotos usw. vorliegen. Da es sich bei Überschwemmungen um punktuelle und besondere Ereignisse handelt, dürfte zivilprozessual ein Rückgriff auf einen Anscheinsbeweis ausscheiden, denn selbst bei extremen Wetterlagen können schon geringe topographische Unterschiede erhebliche Auswirkungen haben, ob ein Grundstück überschwemmt wird oder nicht (vgl. zuletzt LG Hagen, Urt. v. 06.03.2024 - 10 O 98/23 zur Sturzflut „Bernd“ vom Juli 2021).
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung I. In dem landgerichtlichen Urteil des LG Leipzig heißt es, die Klägerin habe vorgerichtlich selbst vorgetragen, das Wasser habe sich von unten durch die Bodenplatte in den Keller gedrückt. Es wäre eine nicht versicherte Begehungsweise, wenn originäres Grundwasser in das Gebäude eindringt. Anders ist es nach der zutreffenden Grundsatzentscheidung des BGH nur dann, wenn es sich um ehemaliges Oberflächenwasser handelt, welches versickert und dann in einem zweiten Schritt zeitlich nachfolgend in das Gebäude eindringt (BGH, Urt. v. 20.04.2005 - IV ZR 252/03 - VersR 2005, 828 m. zust. Anm. Günther, RuS 2006, 157). II. Das Argument des OLG, dass die Klägerin selbst eine bauliche Undichtigkeit und damit einen Baumangel in den Raum gestellt habe, überzeugt aber nicht. Denn auch ein baulicher Mangel ändert zunächst nichts an einem Versicherungsfall, da für diesen eine Mitursächlichkeit ausreicht. Ein schlechter Gebäudezustand wäre nur im Rahmen der Prüfung einer Gefahrerhöhung oder einer Verletzung der Instandhaltungsobliegenheit von Bedeutung. Allerdings wird der Versicherungsnehmer in diesen Fällen, wo bauliche Mängel im Raume stehen oder gar positiv feststehen, es schwer haben, einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall mit dem Beweismaßstab des § 287 ZPO auch nur im Rahmen der Mitursächlichkeit zu belegen. III. Interessant ist der zweite Leitsatz der Entscheidung, wonach „stehendes Wasser auf einer Geländeoberfläche in einer Höhe bis zu 5 cm für eine Überschwemmung nicht aus[reicht]“. Es handelt es sich dabei nicht um einen redaktionellen, sondern um einen amtlichen Leitsatz. Die Entscheidungsgründe scheinen dabei im Widerspruch zu diesem Leitsatz zu stehen, da das OLG ausdrücklich offenließ, ob überhaupt eine Wasserstandshöhe von 5 cm auf der Terrasse erreicht wurde (vgl. Rn. 13).
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